Ausflugsziel „Südjütländische Kaffeetafel“ /Schloss Gram

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25örefan
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Ausflugsziel „Südjütländische Kaffeetafel“ /Schloss Gram

Beitrag von 25örefan »

Die historisch berühmte „Südjütländische Kaffeetafel“.
Eine Empfehlung für alle Kaffee- und Tortenfans, die in der Nähe von Schloss Gram Urlaub machen:
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Sie ist ebenso kalorien- wie traditionsreich: die Südjütländische Kaffeetafel, ein üppiges Büfett mit Torten, Kuchen und Kleingebäck. Der Schriftsteller Siegfried Lenz hat es überlebt.
GRAM. Mitten im dänischen Hochsommer, ein Donnerstag, Punkt 14 Uhr. Eine junge Frau öffnet die Tür zur Holstein-Scheune von Schloss Gram im Herzen von Südjütland. 300 Menschen strömen hinein, sehr diszipliniert noch, jedenfalls ohne erkennbare Eile. Es sind Menschen in kurzen Hosen und Sandalen. Überwiegend Dänen, aber auch Schweden, Norweger und Deutsche. Vor ihnen fünf lange Tischreihen, weiß eingedeckt.
Brottorte und Windbeutel
Und am anderen Ende der Scheune, über ihre ganze Breite, ein riesiges Büfett, traditionell dreigeteilt: außen sieben „harte“, trockene Kuchen, quasi die Vorspeise, dann sieben „weiche“ mit viel Sahne und Früchten und in der Mitte sieben Sorten Kleingebäck – macht unter dem Strich 21 sündhafte Versuchungen. Normalerweise sind es eher 14, eine Art ungeschriebenes Gesetz, aber hier und heute darf es ruhig ein bisschen mehr sein. Die Schlacht am Kuchenbüfett, sie kann beginnen.
Es ist ein Spektakel, dem Siegfried Lenz (1926–2014) mit seiner Erzählung „Jütländische Kaffeetafeln“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Lenz verbrachte viele Sommermonate in Südjütland, auf der Insel Alsen. Dort verfasste er sein wohl wichtigstes Werk, die „Deutschstunde“. Und eben diese kleine Erzählung, in der er von dem „problematischen Glück“ berichtet, bei Nachbarn zu einer solchen Kaffeetafel eingeladen zu sein.
Lenz erzählt von stets aufs Neue kreisenden Tortenplatten mit Sahnestücken, jedes „so dick wie Tolstois ,Krieg und Frieden’“. Und von den Grenzen des Fassungsvermögens, in jeder Hinsicht. Jahre später wird Lenz sagen, sein Werk habe ihm zwar nicht den Nobelpreis eingetragen, aber immerhin die Ehrenmitgliedschaft in der nordschleswigschen Bäcker- und Konditorgilde.
Das, was Lenz zu vorgerückter Stunde im Kreise seiner Nachbarn erlebte, erlebe ich mit wildfremden Menschen in der Holstein-Scheune von Schloss Gram. Es herrscht freie Platzwahl. Die meisten Gäste zieht es in die Nähe des Büfetts, ein kurzer Weg ist ein strategischer Vorteil.
Anne Catherine Just Christensen beobachtet die Szenerie. Die 27-jährige Küchenchefin war an den vergangenen drei Tagen nur damit beschäftigt, das leckere Backwerk herzustellen, hat also im Grunde genommen die ganze Woche über noch nichts anderes gemacht. Allein die Windbeutel – bis die im Ofen aufgegangen sind, das braucht Zeit, sagt Christensen. Sie empfiehlt mir, auf jeden Fall die Klassiker zu testen. Die Brottorte zum Beispiel, die sich später als mein Favorit herausstellen wird. Und den Apfelkuchen namens „Gammeldags“. Und natürlich „Gode råd“, in Waffeleisen gebackene Taler.
Schon bilden sich vor dem Kaffeespender und Kuchenbüfett erste Schlangen. Wer sich zuerst eine Tasse Kaffee holt, begeht einen großen Fehler, denn der ist längst kalt, wenn man vom Büfett zurückkommt. Also gleich beim Kuchen einreihen. Am Büfett selbst ist es mit der Zurückhaltung vieler Gäste schon nicht mehr ganz so weit her, ein kurzer Blick auf die Produktbeschreibung, dann ein scharfer Schnitt, jeder bestimmt die Größe seines Kuchenstücks selbst. Viele Gäste türmen den Kuchen zu einem kleinen Berg auf, im Schnitt fünf oder sechs verschiedene Stücke, nicht selten ragen sie über den Tellerrand hinaus.
Historische Gründe
Dieses Verhalten ist keineswegs maßlos, sondern historisch begründet. Denn zu Zeiten, in denen die Deutschen in diesem Teil Dänemarks das Sagen hatten, also in den Jahren von 1864 bis 1920, war den Dänen der Alkoholausschank verboten. Also tranken sie bei ihren Treffen eben Kaffee. Außerdem kam eine größere Anzahl von Kuchen auf den Tisch, das ließ genügend Zeit, alles Notwendige zu bereden oder auch einem Vortrag zu lauschen. Und dabei „war es praktisch, wenn eine gewisse Ruhe herrschte und die Kuchenplatten nicht ständig die ganze Zeit wanderten.“ Also lud man sich gleich zu Beginn ein bisschen mehr auf den Teller.
Festgestellt hat das die inzwischen verstorbene Kulturhistorikerin Inge Adriansen, die das Phänomen der Kaffeetafeln wissenschaftlich untersucht hat. Ihr Resümee: Es gab „nur zwei Mahlzeiten, die man als speziell dänisch bezeichnen konnte: das große Smörrebrot und die große Kaffee- und Kuchentafel in der süderjütischen Ausgabe“.
Eine derart üppige Variante wie in der Holstein-Scheune ist allerdings selten. Ist ein Blech leer, flitzen emsige Geister hinter eine Verkleidung, um kurz darauf mit dem Nachschub anzurücken. Ein bisschen anders als bei Siegfried Lenz ist es schon. Der wurde von seiner fürsorglichen Gastgeberin noch ein ums andere mal gedrängt, erneut zuzugreifen. Mich lässt man mich in Ruhe.
Und was bei Lenz erst kurz vor Mitternacht endete, mit einem „Stück Nusstorte, mit Buttercreme ehrlich angereichert, eine Spezialität der Hausfrau“, endet bei mir nach knapp 90 Minuten mit einem wohligen Völlegefühl. Manchmal hat so ein Traditionsbruch auch seine guten Seiten: Er gibt mir Zeit für einen Bummel um das Schloss.
Auf Schloss Gram wird die Kaffeetafel im Sommer jeden Donnerstag von 14 bis 17 Uhr angeboten, in der restlichen Jahreszeit am ersten Sonntag im Monat. Erwachsene zahlen 160 Dänische Kronen (umgerechnet etwa 21,50 Euro) für Kuchen und Kaffee satt, Kinder von vier bis zwölf Jahren 95 DKK (knapp 13 Euro).
Die Kaffeetafel auf Schloss Gram ist lange im Voraus ausgebucht, man sollte sich also auf jeden Fall online einen Platz reservieren oder sein Glück bei einem der anderen Anbieter versuchen.
Nordwest Zeitung, 25.08.2018
Mehr Informationen unter: http://www.visitsonderjylland.de
"Es sieht der Mensch die Welt fast immer durch die Brille des Gefühls, und je nach der Farbe des Glases erscheint sie ihm finster oder purpurhell."
H. C. Andersen

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Hinnerk

Re: Ausflugsziel „Südjütländische Kaffeetafel“ /Schloss Gram

Beitrag von Hinnerk »

Das ist ganz bestimmt eine leckere Angelegenheit, aber mit Sicherheit auch seeehr süß und kalorienreich, dänisch eben. Da muss der Anbieter keine Angst haben, dass ihm ein paar Urlauber arm machen. Jedenfalls nicht, solange nicht das Kaffeekränzchen von Udo Jürgens da erscheint. :mrgreen:

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