Geschichte eines Überlebenskampfes in DK und D

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Hinnerk

Geschichte eines Überlebenskampfes in DK und D

Beitrag von Hinnerk »

Eine Hommage an Wegbereiter deutscher und dänischer Hersteller von Unterhaltungselektronik

Ich muss einmal eine Lanze für den dänischen Hersteller von HIFI-Komponenten und Fernsehgeräten, Bang & Olufsen, kurz B&O, brechen, aber auch für zwei deutsche Hersteller. Was für viele Dänen B&O ist, das ist für viele Deutsche die Marke Loewe (früher Loewe Opta) und Metz. Falls jemand fragt, warum ich Philips nicht dazu zähle: Philips ist, was einige nicht wissen, ein holländischer Konzern und lässt alles, was zur Unterhaltungselektronik zählt, längst in China fertigen.

Alle drei Hersteller konnten sich im Gegensatz zu allen anderen bekannten aber längst untergegangenen Markenherstellern von Unterhaltungselektronik wie Telefunken, Blaupunkt, Grundig, Nordmende, Graetz, Saba, Schaub-Lorenz, Braun, Wega, Uher, Revox, Dual u.a. gegenüber den übermächtigen und billig produzierenden japanischen und koreanischen Herstellern behaupten, ungefähr so wie bei Asterix die Gallier gegenüber den Römern. Einige wenige Hersteller bewegen sich noch in kleinen Nischenbereichen oder die Rechteverwerter der ehemaligen Hersteller verhökern deren Namen an asiatische Hersteller von Billigelektronik um ahnungslose Kunden zu täuschen. Was hat denn schon eine Taschenlampe im Baumarktregal mit dem Firmenemblem von Telefunken mit dem ehemaligen Telefunken zu tun oder eine elektrische Zahnbürste mit Grundig? Ja auch ein LED-Fernseher mit Grundig-Aufdruck hat nichts mit Grundig von ehedem zu tun. Das ist alles Täuschung und Augenwischerei.

Nicht so bei B&O, Loewe und Metz. Die drei Saurier der Unterhaltungselektronik behaupten sich bis jetzt gegenüber der mächtigen Konkurrenz aus Fernost, auch wenn es dabei alle drei Unternehmen nicht einfach haben und die Firmengeschichten bewegend sind. Alle drei Hersteller haben ihre Produktpalette im Verlauf der letzten Jahre und Jahrzehnte verschlankt und konzentrieren sich heute auf sehr hochwertige Fernseh- und Audiosysteme der gehobenen Preislage. Zudem macht das made in Danmark oder made in Germany die Produkte dieser Hersteller heute zu etwas Besonderem.
Leider muss nun aber B&O doch Federn lassen. Schweren Herzens hat sich die dänische Konzernleitung dazu entschlossen, die Sparte Fernsehgeräte an den koreanischen Hersteller LG abzugeben. Weltweit gibt es einfach zu wenige Liebhaber, denen hervorragende Technik und Design den Preis Wert sind. es kommt hinzu, dass gerade im Bereich Fernsehen derzeit kräftige Entwicklungsschübe zu verzeichnen sind, die die Technik von heute bereits morgen altbacken aussehen lassen. Dies ist in anderen Bereichen der Unterhaltungselektronik nicht so extrem der Fall. Und so wird zukünftig das Portfolio von B&O hauptsächlich im Bereich Audiosysteme, auch im mobilen Bereich. Schade.

Von B&O war ich schon immer fasziniert. Das Design ist einfach einzigartig. B&O versteht es, Technik so zu verpacken, dass es wohnlich wirkt. Ja man kann sagen, dass manche Geräte regelrechte Kunststücke sind, fast zu schade, um sie zu gebrauchen. Dagegen sind die Einheitsblech- oder Kunststoffkisten aus Japan, Korea und China zumindest für mich alles andere als schön anzusehen. Es sind Technikkisten, die im Wohnzimmer eher störend wirken, wenn auf Wohnästetik ein gewisser Wert gelegt wird.
Loewe und Metz gehen einen ähnlichen Weg wie B&O, stellen aber im Bereich Unterhaltungselektronik lediglich noch Fernsehgeräte für Leute her, die die Preise nicht bei idealo oder geizhals vergleichen. B&0 geht soweit, dass ihre Produktpalette im Gegensatz zu früheren Zeiten nur in eigenen Shops oder auf Franchisebasis betriebenen Läden vertrieben wird, die keine Konkurrenzprodukte führen dürfen.

Alle drei genannten Hersteller (B&O, Loewe, Metz) standen in der Vergangenheit bereits vor dem Konkurs oder der Frage, ob sie an chinesischen Investoren verkaufen oder auch sie ihre Produktion nach Fernost verlegen sollen. Dazu ist es bis jetzt noch nicht gekommen.
Als einer, der in der Welt dieser alten und fast vergessenen Dino-Technikwelt aufgewachsen ist und dort auch seine Berufsausbildung gemacht hat und die Vereinnahmung bzw. Vernichtung nicht nur der deutschen Unterhaltungselektronik-Industrie ausgehend in den 1970er Jahren, forciert durch Billiglöhne in Fernost und aktiver Sterbehilfe durch japanische Großbanken, hautnah miterlebt hat hoffe ich sehr, dass es den dänischen und deutschen Überlebenskünstlern dieser Branche gelingt, sich gegenüber der fernöstlichen Konkurrenz auf Dauer zu behaupten. Momentan stehen die Chancen dafür nicht schlecht (aber auch nicht besonders gut).
frosch
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Re: Geschichte eines Überlebenskampfes in DK und D

Beitrag von frosch »

Hallo Hinnerk,
was für ein schöner Beitrag über B&O, toll, danke !

Ich bin ebenso schon lange B&O Fan und hoffe immer noch, mir eines Tages die "Bleistifte", also die tollen Lautsprecher von B&O, leisten zu können.
Bis dahin hats nur zu Telefonen (sehr schick) und einem Anrufbeantworter (extrem guter Klang) gereicht.
Der Klang ist so gut, das mancher Kunde, wenn er mich persönlich erreicht hat, kurz schluckte und sagte: Ups, Sie klingen ja genau so wie Ihr Anrufbeantworter..

Das war übrigens eines der allerersten digitalen Geräte, ist zeitlos schick und funktioniert seit mehr als 16 Jahren einwandfrei.
Von welch anderer Elektronik kann man das heute noch sagen?
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25örefan
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Re: Geschichte eines Überlebenskampfes in DK und D

Beitrag von 25örefan »

Überleben können die o.g. Hersteller möglicherweise noch länger, aber wohl nur als Nischenanbieter für einige mehr oder weniger gut betuchte Enthusiasten.
Leider setzt die heute nachwachsende Generation andere Prioritäten.
Gute Qualität bei Klang, Verarbeitung, Haltbarkeit gepaart mit ansprechendem, möglichst noch zeitlosem Design sind in der heutigen schnelllebigen Zeit (was heute der Höhe der Zeit ist, wird in in der Regel in einem halben Jahr als veraltet dargestellt), getrieben auch durch die konkurrierenden Hersteller scheinbar nicht mehr gefragt und wohl auch nicht zu einem den Massenprodukten vergleichbaren Preis machbar.
Schade :(
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H. C. Andersen

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Hinnerk

Re: Geschichte eines Überlebenskampfes in DK und D

Beitrag von Hinnerk »

Ja, die Prioritäten werden heute insbesondere von der jungen Generation auf andere Dinge gesetzt, so z.B. auf ein Smartphone für 650 Euro und das jedes Jahr (Mann/Frau will ja up to date sein). Das scheint in Dänemark nicht anders zu sein als in Deutschland, Slowenien oder auf der Osterinsel.
Hinnerk

Re: Geschichte eines Überlebenskampfes in DK und D

Beitrag von Hinnerk »

Was mir in diesem Zusammenhang auffällt ist die Tatsache, dass in dänischen Fachgeschäften für Unterhaltungselektronik sehr häufig die ehemals recht renommierte deutsche Marke Grundig vertreten ist, insbesondere bei LED-Flachfernsehgeräten. Bei uns findet man diese Geräte eher in Supermärkten und großen Verbrauchermärkten als Angebote, teils zwischen Ramschware.

Ich unterhielt mich einmal mit einem Verkäufer eines dänischen Fachhändlers, der viele Grundig-Artikel in seinem Laden präsentierte: Er begründete die Beliebtheit der Produkte mit dem Markenlabel Grundig damit, dass der Firmenname immer noch für gute Qualität und deutsche Wertarbeit steht. Dies gelte auch für Produkte von Telefunken.

Was viele Dänen wohl überhaupt nicht wissen ist die Tatsache, dass es mit Grundig ab 2004 steil bergab ging und verschiedene Anteilsnehmer und Investoren versuchten, Grundig wieder auf die Beine zu helfen. 2009 aber wurde Grundig dann komplett von dem türkischen Haushaltsgerätehersteller Arçelik A.S. übernommen, der seine Produkte selbst in der Türkei kaum noch fertigen lässt, weil die Produktion selbst dort zu teuer ist.
Mit Deutschland hat Grundig heute rein gar nichts mehr zu tun. Nur das aufgeklebte Markenlabel an den Fernsehgeräten, elektrischen Zahnbürsten oder Mixern erinnert an den ehemals größten deutschen Hersteller von Unterhaltungselektronik. :(