Scandlines tauft zweite Hybridfähre

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frosch
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Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von frosch »

Mit der Taufe der zweiten Hybridfähre, der "Copenhagen", hat Scandlines einen weiteren wichtigen Schritt zur Veränderung des Fährenbetriebs im Ostseeraum getan. Es ist nach der "Berlin", die seit Mai auf der Strecke Rostock-Gedser in Betrieb ist, die zweite Hybridfähre auf dieser Strecke von Scandlines.
http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Scandlines-tauft-Hybridfaehre-Copenhagen,scandlines278.html

Hybridfähre bedeutet - wie bei Hybrid-PKWs - das die Fähre über einen konventionellen Dieselantrieb und einen Elektroantrieb verfügt; was nach Aussagen von Scandlines bis zu 15% Emissionen sparen soll. Gleichzeitig sinken die Brennstoffkosten der Reederei erheblich.
Bei den Scandlines Fähren der Rostock Linie wird das so genutzt, das die Schiffe die ersten 30 Minuten (Ablegen, Hafenausfahrt, Küste verlassen) emissionsfrei elektrisch fahren und ebenso beim Anlaufen des Zielhafens.
Ähnlich wie beim Hybrid-PKW wird überschüssige Energie des Verbrennermotors zum Nachladen der Batterien für den elektrischen Antrieb genutzt.

Scandlines hat mit der Inbetriebnahme der Berlin auf der Strecke Rostock-Gedser deutlich die Kapazitäten erhöht und sagt, das man erhebliche Umsatzgewinne gemacht habe:
http://www.scandlines.de/uber-scandlines/presse#/pressreleases/2016-das-jahr-der-neuen-hybridfaehre-und-der-gebrochenen-rekorde-1520740
Die Hybridfähren kamen allerdings um Jahre verspätet in den Dienst, sie waren zunächst Fehlkonstruktionen, mußten umgebaut werden und die Werft ging insolvent.

In der Debatte um die Fehmarn Beltquerung waren Hybridfähren auch als Argument genannt worden, das der Fährenbetrieb trotz Tunnelbau fortgesetzt werden würde, was den Tunnelbau wiederum unwirtschaftlich(er) machen würde.
Etwas zur Technik der Hybridfähren findet man hier:
http://www.siemens.com/press/pool/de/feature/2015/processindustries-drives/2015-10-scandlines/factsheet-scandlines-hybridfaehre-d.pdf

Scandlines hat auf der Linie Puttgarden-Rødby bereits mehrere Hybridfähren in Betrieb und plant die Einführung des "Plug-In-Betriebs". Das heißt, das die Batterien während der Liegezeit im Hafen nachgeladen werden und somit die Zeit des elektrischen Fahrbetriebs verlängert wird. Das ist letztlich ein Zwischenschritt auf dem Weg zu rein elektrischen Fähren. Die erste rein elektrische Fähre fährt seit 2015 im Linienbetrieb in Norwegen:
http://www.ingenieur.de/Themen/Elektromobilitaet/Weltweit-Elektrofaehre-in-Norwegen-im-Einsatz
Während dies für Puttgarden-Rødby auch in absehbarer Zeit als machbar erscheint, meinte Scandlines, das die Rostock Strecke dafür bisher zu lang sei.

Der Einsatz umweltfreundlicherer Fähren ist einerseits eine dringende Notwendigkeit aus Umweltschutzgründen, andererseits könnte er auf mittelfristige Sicht das Mobilitätsverhalten, die Transport- und Frachtrouten im Ostseeraum maßgeblich beeinflussen.
Ich halte das für eine sehr spannende Entwicklung - und Dänemark ist mittendrin!
Dieselameise
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Re: Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von Dieselameise »

Nicht alles was grün ist, ist auch sauber...

Die beiden Fährschiffe sind keine Diesel-Hybrid-Fähren, sondern Schweröl-Hybrid-Fähren. Die Berlin fährt zwar aktuell mit Marinediesel. Dafür gibt es mindestens drei Gründe:

- die verbauten Einspritzdüsen sind nicht für Schweröl geeignet - werden noch getauscht...
- Scrubber sind noch nicht im Betrieb - folgt wenn die Einspritzdüsen getauscht werden
- Landentsorgungsanlage in Gedser noch nicht fertiggestellt.

Die Scrubber arbeiten im Closed-Loop-Verfahren. Wasser wird mit einem chemischen Zusatzstoff versetzt und so soll aus den Abgasen Schwefel und Feinstaub herausgefiltert werden. Die wassergebundenen Stoffe werden dann von Bord gepumpt und getrennt. Die herausgefilterten Stoffe sind Sondermüll.

Sauberer wäre es, die Fähren generell mit Marinediesel zu betreiben. Spart die teuere Scrubber-Technik und vor allem den anfallenden Sondermüll. Marinediesel kostet aber mindestens 60 bis 70% mehr gegenüber von Schweröl.

Saubere Schiffe sehen anders aus. Aber dem dummen Verbraucher kann man es so verkaufen...

Gruß aus der Motorentechnik

Dieselameise
Kairos
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Re: Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von Kairos »

Dieselameise hat geschrieben:
Sauberer wäre es, die Fähren generell mit Marinediesel zu betreiben. Spart die teuere Scrubber-Technik und vor allem den anfallenden Sondermüll. Marinediesel kostet aber mindestens 60 bis 70% mehr gegenüber von Schweröl.

Saubere Schiffe sehen anders aus. Aber dem dummen Verbraucher kann man es so verkaufen...

Gruß aus der Motorentechnik

Dieselameise
Danke für die fachkundige Aufklärung- So eine arglistige Verbrauchertäuschung hatte ich auch erwartet.
frosch
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Re: Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von frosch »

Danke für die Ergänzung, interessant, was man abseits der Firmen-PR so erfährt.

Das ist aber kein Grund, das ganze komplett in die Tonne zu tun, im Gegenteil.
Auch ein hybrides Auto hat noch einen stinkenden Verbrennungsmotor und ist dennoch ein Schritt in eine emissionsfreie Mobilität.
Das gilt genauso für die Hybridfähren.
Und besser zweimal eine halbe Stunde ohne Emissionen fahren, als die ganze Zeit vor sich hin zu stinken.

Dann hab ich aber Rückfragen an Dieselameise:
Ab 2020 ist der Betrieb mit Schweröl sowieso verboten, warum sollten dahingehend noch Düsen getauscht werden?
In der Nord- und Ostsee ist das doch ohnehin schon der Fall, wenn 0,1% Schwefel maximal im Treibstoff sein sollen, dann kann die Fähre doch gar kein Schweröl mehr nutzen?
Auch nicht mit Scrubbertechnik ?

Und: Das was Du schreibst gilt für die bereits eingesetzte "Berlin" - richtig?
Wie sieht es nun mit der im Bau befindlichen "Copenhagen" aus?
fejo.dk - Henrik

Re: Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von fejo.dk - Henrik »

frosch hat geschrieben:Auch ein hybrides Auto hat noch einen stinkenden Verbrennungsmotor und ist dennoch ein Schritt in eine emissionsfreie Mobilität.
In deiner Welt ist der Tesla also emissionsfreie Mobilität?
Tatzelwurm
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Re: Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von Tatzelwurm »

Aber klar doch,
der Strom kommt doch aus der Steckdose :oops:

Detlef
Schmeichler sind wie Katzen,
vorne lecken, hinten kratzen.

Wenn jeder Scheinheilige wie eine 60-Watt-Birne leuchten würde, könnte man nachts nicht mehr ohne Augenbinde schlafen.
fejo.dk - Henrik

Re: Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von fejo.dk - Henrik »

Danke Dieselameise, wirklich aufschlussreich.
frosch hat geschrieben:...was nach Aussagen von Scandlines bis zu 15% Emissionen sparen soll.
Es gibt hier zwei Probleme: Erstens pures Marketing, weil Scandlines selber die Quelle ist, zweitens heisst "bis" nur, dass es nicht mehr ist aber wahrscheinlich weniger. Könnte auch 0 sein.

Die Zahl 15 stimmt eher, wenn man an die Länge der Marketingansage in 3-4 Sprachen auf der Fähre denkt, also wie toll das Hybridverfahren (und Scandlines) ist. Nur um diese Ansage zu vermeiden buche ich immer die traditionelle Fähre.
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25örefan
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Re: Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von 25örefan »

fejo.dk - Henrik hat geschrieben:
frosch hat geschrieben:...was nach Aussagen von Scandlines bis zu 15% Emissionen sparen soll.
Es gibt hier zwei Probleme: Erstens pures Marketing, weil Scandlines selber die Quelle ist, zweitens heisst "bis" nur, dass es nicht mehr ist aber wahrscheinlich weniger. Könnte auch 0 sein.
Dass es Emissionen spart wird wohl kaum zu bestreiten sein, bleibt allerdings die Frage wieviel und aus welcher Quelle der Strom kommt.
Grundsätzlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung.
Natürlich ist jede Aussage daraufhin zu überprüfen, aus welcher Quelle sie stammt und gegebenfalls danach zu bewerten. Wer diese Angaben per se als "pures Marketing" zu verunglimpft, macht es sich ohne Angabe anderweitiger Quellen ziemlich leicht, insbesondere wenn er sonst Aussagen wie z.B. denen der künftigen Betreiber des Fehmarnbelt-Tunnels gegenüber wesentlich leichtgläubiger ist.
fejo.dk - Henrik hat geschrieben:Die Zahl 15 stimmt eher, wenn man an die Länge der Marketingansage in 3-4 Sprachen auf der Fähre denkt, also wie toll das Hybridverfahren (und Scandlines) ist. Nur um diese Ansage zu vermeiden buche ich immer die traditionelle Fähre.
Wenn Du doch Scandlines so gar nicht toll findest, da wäre doch Schwimmen die Alternative.
Scandlines würde nichts an Dir verdienen, Du könntest für das Ersparte für den Tunnel spenden
und umweltfreundlich (vorher Duschen vorausgesetzt) wäre es obendrein :mrgreen:
Tatzelwurm hat geschrieben:Aber klar doch,
der Strom kommt doch aus der Steckdose :oops:
Detlef
Und das ist auch gut so, vor allem wenn er aus regenerativer Ressourcen (insb. Wind, Wasser, Solar) stammt.
"Es sieht der Mensch die Welt fast immer durch die Brille des Gefühls, und je nach der Farbe des Glases erscheint sie ihm finster oder purpurhell."
H. C. Andersen

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Dieselameise
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Re: Scandlines tauft zweite Hybridfähre

Beitrag von Dieselameise »

Es gibt kein Schwerölverbot ab 2020, da dass Marpol-Abkommen nur die Luftemission regelt. D.h. es dürfen ab 2020 nur noch 0,5% bzw. in ECA-Gebieten 0,1% Schwefel in die Luft geblasen werden. Für den Laien sieht es daher nach einem generellen Schwerölverbot aus. Durch den Einsatz von Abgaswäschern erreicht man jedoch auch die Emissionsgrenzwerte und kann weiterhin mit dem Abfallprodukt fahren. Die Ostsee ist ein ECA-Gebiet und die Regelungen gelten schon seit dem 1. Juli 2015. Die meisten Reedereien haben daher auf Marinediesel umstellen müssen und vereinzelt auch Schiffe ohne Ersatz ausgesondert.

Die IMO hat in einer Studie den Kraftstoffbedarf ab 2020 wie folgt dargestellt (Angaben in Mio t):

im Jahr 2012: HFO (Schweröl): 338
im Jahr 2020: HFO (Schweröl): 36

im Jahr 2012: MDO (Marinediesel): 39
im Jahr 2020: MDO 0,1%: 39 MDO 0,5%: 233

Scandlines nutzt das Schlupfloch in dem Abkommen aus und setzt bei seinen Neubauten weiterhin HFO ein. Andere Reedereien gehen da einen anderen Weg. Eine der saubersten Ostseefähren verkehrt seit 2013 zwischen Schweden und Finnland. Dort wird verflüssigtes Erdgas (LNG) als Treibstoff eingesetzt. Weitere Reedereien haben solche Neubauten geordert. U.a. die estnische Tallink-Reederei, aber in Polen rechnet man 2019 mit der Indienststellung von 4 neuen LNG-Fährschiffen. Die Polen haben dafür auch schon Tatsachen mit der Ansiedlung eines LNG-Terminals in Swinemünde geschaffen. Solche Infrastruktur fehlt in Deutschland komplett für einen sauberen Fährverkehr. Damit auch in den Jahren nicht zu rechnen, wenn man die katastrophal langen Planungs- und Genehmigungszeiten sieht.

Die meisten Reedereien haben nicht die Möglichkeit Scrubber zu nutzen. Diese sind hochtechnische Einzelanfertigungen und es gibt sie nicht von der Stange. Die Industrie ist voll ausgelastet, aber sie kommen nur bei einem kleinen Bruchteil der Flotte zum Einsatz. Hinzu kommt, dass Eigner und Reederei zum größten Teil unterschiedliche Personen sind. Und Eigner (Stichwort: Shopfonds) sind ungern bereit in die Schiffe zu investieren, da keine höhere Charterrate zu erwarten ist. So werden der größte Teil der Reedereien auf MDO ausweichen müssen. Nur bei Scandlines ist das anders...

Und ob ein Hybridantrieb auch nachhaltig ist, sei mal dahin gestellt. Jedes starten der Hauptmaschine verkürzt deren Lebenszeit. Und ein Schiffsdiesel ist kein kleiner PKW-Diesel, der braucht eine gewisse Vorlaufzeit um die optimalen Betriebstemperaturen für eine optimale Verbrennung zu erreichen. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass Scandlines die Hauptmaschine komplett abstellt. Eher läuft sie in kleinster Stufe mit. Man stelle sich nur mal vor, dass nach der Revierfahrt die Hauptmaschine nicht anspringt. Was nun? Gut man kann den Anker werfen und auf Hilfe warten. In Rostock sicher kein Problem, da drei Bugsierrreedereien vor Ort sind. Aber wie sieht es in Gedser aus? Wo ist der nächstgelegende Schlepper stationiert?

Und dann stellt sich die Frage, wie nachhaltig sind sie verbauten Batterien. Wie lang ist deren Lebenserwartung? Wie werden diese entsorgt?

Beruflich habe ich mich mit der Verwendung von Hybridantrieben in unseren Maschinen auch schon länger beschäftigt. Aktuell halte ich sie für nicht wirtschaftlich. Wir bieten sie unseren Kunden nicht an, da sie die kalkulierten Betriebsstunden einer herkömmlichen Maschine nicht erreichen. Für die Unternehmer ist sie daher nicht wirtschaftlich, da man früher über eine Ersatzbeschaffung nachdenken müssen und gleichzeitig höhere Anschaffungskosten hat. Knackpunkte sind die Lebenserwartung der Batterien und der erhöhte Verschleiß an der Hauptmaschine.

Und wer an emissionsfreies Autofahren glaubt, der glaubt auch daran, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Man muss sich nur mal den großen Energiebedarf bei der Herstellung von Fahrzeugen vor Augen halten. Der Verbrauch ist da die kleinste "Energieverschwendung". Nachhaltig ist daher nur der, wer sein Fahrzeug mehrere hunderttausend km bewegt und sich nicht alle paar Jahre ein neues Fahrzeug gönnt.

Gruß

Dieselameise