Walfang auf den Färöer-Inseln

Sonstiges. Dänemarkbezogene Themen, die in keine andere Kategorie passen.
Martin Hofer

Beitrag von Martin Hofer »

Hej Leute,

also zunächst mal: das besagte Zitat vom "Deutschen Wesen" stammt von Emanuel Geibel (http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Emanuel_Geibel.html). Muss man nicht kennen, ich wusste es auch nicht.

Thema Tierschutz: Alles hat, wie das Sprichwort sagt, zwei Gründe: einen <i>guten</i> und einen <i>wahren</i>.

Das Thema Tierschutz ist eines der Themen, mit denen viele Emotionen geweckt werden können. Das bedeutet einerseits, dass sich viele Leute zum Aktionismus berufen fühlen, ohne dabei den Drang zu verspüren, sich vorher über wie wirklichen Sachverhalte zu informieren. Das ruft andererseits diejenigen auf den Plan, die darin eine Möglichkeit sehen, Geld oder Ruhm zu erlangen; ihnen ist das mit der Wahrheit auch nicht so wichtig. Aus dieser Mischung kocht dann eine Suppe von voneinander abgeschriebenen und sich gegenseitig bestätigten Zitaten, die gelegentlich wenig Bezug zur realen Welt hat.

Das ändert aber nichts daran, dass an manchen Orten <i>tatsächlich</i> Tiere grausam gequält werden und dass dem Einhalt geboten werden muss.

Dann die Sache mit dem Imperialismus. Es ist sicher wahr, dass Wohlstandstouristen es unbewusst irgendwie ganz gerne hätten, wenn die Menschen, die an den Urlaubsorten wohnen, sich ihren romantischen Bilderbuchvorstellungen entsprechend verhalten würden. Sie sollen doch möglichst fröhlich in ihrer gemütlich-antiquierten Lebensweise verharren, in Holzhütten wohnen (und ja keine Hochhäuser, Fabriken, Mobilfunkantennen daneben bauen!) ihre Eingeborenentänze aufführen, ansonsten aber bitte genauso ordentlich, pünktlich, höflich sein wie man das von zu Hause gewohnt ist. Dass zu diesen Traditionen gelegentlich auch recht grausame Rituale gehören, wollen wir nicht recht wahrhaben.

So sagt das gewiss kaum jemand laut, diese Erwartungshaltung ist éher unterbewusst. Das Zitat vom "deutschen Wesen" halte ich deshalb auch für viel zu hoch gegriffen (wie mir auch überhaupt in Deutschland zu oft historische Vergleiche als Totschlagargumente herangezogen werden).

Traditionen sind wichtig, besonders für kleine Kulturen. Das rechtfertigt freilich nicht jede Grausamkeit. Die englischen Fuchsjagden und die spanischen Stierkämpfe gehören meines Erachtens zu den Traditionen, die sich den modernen Wertevorstellungen unterordnen müssten. Ich bin noch nicht überzeugt, dass das bei der Jagt auf die Färöischen Grindwale auch der Fall ist.

-- snorri
Ribe

Beitrag von Ribe »

Hej,

-es geht hier um einen Informationsaustausch zum Thema „Walfang auf den Färöer“.

-Die Kunst und Kultur der Färinger ist hoch angesehen.

-Niemand hat hier etwas von Primitiven, den man helfen müsste, geschrieben.

-Lars, durch dein erstes Beispiel bin ich davon überzeugt, dass wir gar nicht so unterschiedlicher Meinung sind.

-Über Paul Watson bin ich nicht genau informiert.


-Noch einmal: Unterschiedliche Informationen führen zu unterschiedlichen Haltungen...................

-Und deshalb frage ich hier nach Informationen zum Thema „Walfang auf den Färöer“ und stelle andeutungsweise das dar, was in Deutschland und der Schweiz so oft berichtet wurde.
Ich bin Lars dafür dankbar, dass er eine Diskussion aus anderer Sicht ermöglicht und versuche die unterschiedlichen Informationen zu erörtern.


-Meine Nationalität dürfte im Jahr 2004 dabei keine Rolle spielen, wenn man fragt oder Informationen austauschen möchte.

Ribe

Da haben sich Beiträge überschnitten.

Der vorletzte ist viel aussagekräftiger als dieser.






Bearbeitet von - Ribe am 06.11.2004 12:03:35
Ribe

Beitrag von Ribe »

Hej,

vielleicht sind die folgenden Informationen für einige interessant:

- Es wird kritisiert, dass ganze Herden auf einmal getötet werden -auch trächtige Tiere.

-Es gibt Fotos, die fröhliche Kinder mit einem Walfötus zeigen.

(Ein Bild sagt mehr als tausend Worte:)

http://www.ecop.info/d-e-faroe-gallery.htm
( Den Hintergrund dieser Seiten kann ich nicht beurteilen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sich um manipulierte Fotos handelt. (Die Kommentare zu den Bildern sind aber aus meiner Sicht zu emotional.)

-Internetseiten aus der Schweiz berichten Ähnliches.

Gestern dachte ich, dass das Thema vorläufig abgeschlossen wäre.
Nachdem ich die Fotos sah, kam es in mir doch wieder hoch. Natürlich es klar, dass beim „Schlachten“ großer Tiere viel Blut fließt. Aber warum müssen ganze Herden im seichten Wasser erstochen werden? Es wurde schon einmal erwähnt, dass kaum vorstellbar ist , dass diese speziellen Messer, die Lars erwähnte, zu einem schnellen Tod einer ganzen Walherde führen.

Der Stab, der ins Blasloch der Wale getrieben wird, erscheint auch nicht so geeignet, längere Todesqualen der Tiere zu vermeiden.
Die Wale ersticken dadurch innerlich an ihrem eigenen Blut, es fließt dann nicht so viel Blut nach außen.

Ich darf vermuten , welche Gegenargumente angeführt werden könnten : Das Kind erfreut sich an dem Fötus nach einer langen Verteilungsprozedur und weil es schulfrei ( bis vor einigen Jahren) bei GRINDADRÁP gab.
Außerdem wird der Stab seit Kurzem vielleicht nicht mehr eingesetzt.

Dass so viele Organisationen voneinander abschreiben und Unwahrheiten verbreiten , kann ich immer noch nicht ganz glauben, auch wenn man gegenüber Informationen im Internet selbstverständlich misstrauisch sein sollte.

Und deshalb frage ich hier wieder:

Gibt es weitere Informationen und Argumente, die für oder gegen den Walfang auf den Faröer-Inseln angeführt werden können? Entschuldigung, das klingt ja wieder nach Kulturimperialismus. Ich meinte: Gibt es weitere Informationen zum Thema?

Ribe

Es gibt hoffentlich keinen Ärger wegen dieses Beitrages. Als der Server nicht so wollte, war ich ganz froh, ihn nicht senden zu können. Man wird etwas nachdenklicher und zurückhaltender nach einiger Sozialisation hier.Aber ich ahne, was kommt.

Aber:

Danke an ..., die in einer Mail meine Beharrlichkeit unterstützte.


Könntet ihr mir dabei helfen, Adressen von dänischen Organisationen oder Privatpersonen zu finden , die sich auch mit dieser Thematik beschäftigen? Das Thema muss doch in Dänemark auch ein Thema (gewesen) sein.









Bearbeitet von - Ribe am 07.11.2004 16:47:54
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Irgendwie verstehe ich Dir nicht ganz. Du meinst also, es ist falsch eine ganze Herde von diesen Walen auf einmal zu schlachten. Wie sollte man es dann lieber tun?

Was das Bild mit dem Kind angeht, dann kann ich beim besten Willen nichts schlimmes daran erkennen. Ich finde es dagegen sehr schlimm, wenn Kinder in den Industriestaten - z.B. D - in der Glaube aufwachsen, Fleisch käme aus einem Fabrik und habe nichts mit lebende Wesen zu tun.

Ich denke viele Menschen in den Industriestaten sind in ganz schlimmer Weise gegenüber ihr eigenen Ursprung und Wesen entfremdet. Menschen sind nun mal Raubtiere, es ist ein ganz natürlicher Teil unseres Daseins, daß wir Tiere schlachten um sie zu essen. Sollen wir also die Kinder gegen ihr eigener Natur schützen? Ich halte das ehrlich gesagt für pervers.

Es ist aber vielleicht auch ein Unterschied D/DK. Hier in DK sind wir doch um einiges näher an der Landwirtschaft.

Dabei fällt mir etwas ein. Wir haben hier Freunde mit ein kleiner Bauernhof. Von denen bekommen wir gelegentlich ein Schwein für die Tiefkühltruhe. Vor einigen Jahren haben wir denen Besucht, als so ein Schwein unterwegs war. Unsere Tochter war damals 5 oder 6, und ich ging mit Ihr, um das Schwein auf dem Feld anzusehen. Unterwegs kamen wir an dem Stall mit den Puten vorbei. Sie zeigt auf denen, strahlt und erklärt: "Das sind Puten, die schmecken auch gut".

Was Organisationen in DK angeht, kann ich kaum helfen. Nach der Affäre mit den Baryrobben und der Schaden der dadurch den Eskimos hinzugefügt wurden, hat Greenpeace in DK extrem viele Mitglieder verloren. Genau wie viele ist nicht bekannt. Nach einer Weile wurde das Büro in Kopenhagen nämlich aus finanziellen Gründen geschlossen. Seitdem gibt es nur "Greenpeace Skandinavien", mit Sitz in Schweden, und es werden keine Mitgliedszahlen für den einzelnen Ländern veröffentlicht.

Bearbeitet von - ljhelbo am 08.11.2004 13:34:45
[url=http://www.helbo.org]www.helbo.org[/url] - [url=http://www.sallnet.dk]www.sallnet.dk[/url] - [url=http://www.salldata.dk]www.salldata.dk[/url] - [url=http://friskole.netau.net]www.frijsendal.dk[/url]
Liv uden Bevægelse kan være godt nok for gulerødder og kålhoveder, som ikke er bedre vant. - N.F.S.Grundtvig
Ribe

Beitrag von Ribe »

Hej Lars,

du verweist mit Recht darauf, dass es sehr schlimm sei, wenn Kinder in den Industriestaaten - z.B. D - in dem Glauben aufwachsen, Fleisch käme aus einem Fabrik und hätte nichts mit lebenden Wesen zu tun.
Aber wie weit sollte man gehen, um dieser Auffassung zu begegnen?
Muss man Kinder mit in einen Schlachthof nehmen?

Die Bilder wirken auf mich, als wären die Kinder der Färinger beim Töten der Wale als Zuschauer und bei der Verteilung hautnah dabei.
Sie erfahren sicherlich dabei, dass das Fleisch nicht aus einer Fabrik kommt. Aber vielleicht gibt es ja noch andere Folgen für ihre weitere Entwicklung ( abgesehen von dem Konsum des belasteten Fleisches)?

Zum Töten einer Herde:

Es soll ungünstig für den Genpool der Grindwale sein, ganze Herden auf einmal zu töten.
Außerdem erwähnte ich schon, dass ich immer noch nicht ganz nachvollziehen kann, diese ganz schnell auf einmal zu töten. Du erwähntest professionelle Methoden mit speziellen Messern. Die Tiere würden nicht leiden. Könntest du diese näher erläutern? Ungeklärt ist auch die Methode, den Walen einen Stab in das Blasloch zu stecken. Ein Tod durch Ersticken im eigenen Blut erscheint nicht nur für Tiere, die in sozialen Verbänden leben und miteinander kommunizieren, wirklich sehr, sehr hart. Könnte es vielleicht doch sein, dass die Mitglieder einer ganzen Herde nicht gleichzeitig, sondern nach und nach sterben?

Nun könntest du natürlich argumentieren, dass das in deutschen und dänischen Schlachthöfen auch nicht anders sei. Aber dort kommt der Tod vielleicht ein bisschen schneller und Kinder werden dort sicherlich auch nicht so oft dort sein. Man könnte also auch über andere Methoden nachdenken, die dazu dienen, Kinder mit ihren Lebensgrundlagen , der Natur und einem respektvollen Umgang mit dieser vertraut zu machen.

Internetseiten sprechen vom „Blutrausch“ beim Walfang der Färinger. Das ist auch aus meiner Sicht zu plakativ und übertrieben.
Ein Reiseführer, der für die Färöer wirbt, bezeichnet die Walfang-Methoden dort als „archaisch“, das erscheint mir auch immer noch so.

Ein neue Frage:
Norwegen möchte aus verschiedenen Gründen Walfleisch exportieren. Warum kommt man dort auf die Idee, dass ausgerechnet die Färöer-Inseln ein lukrativer Absatzmarkt sein könnten?
Irgendwo habe ich gelesen, dass die Tiefkühltruhen der Färinger mit Walfleisch nach ihren Jagden gefüllt wären.


(Ich will keinen belehren und bekehren ( Beispiel 1) und versuche nur mitzudenken und zu verstehen.)

Viele Grüße

Ribe




Bearbeitet von - Ribe am 09.11.2004 21:52:57
geloescht20

Beitrag von geloescht20 »

Hej Ribe, warst du denn schon in einem deutschen Schlachthof? Oder hast auf einem Dorf beim Schlachten zugesehen? Und hast du Kaninchen in ihren Boxen gesehen, die anschließend geschlachtet wurden oder die Hühner auf dem Hühnerhof? Hast du Berichte über Afrika z.B. über die Massai gelesen, was mit frisch geschlachteten Tieren getan wird? Oder in den islamischen Ländern? OK, das gehört nicht hierher, aber wo ist da der Unterschied? Tiere werden gejagt und Tiere werden mit dem Ziel gezüchtet, sie zu töten. Das mag sich jetzt brutal anhören. Da finde ich das Füttern von Tieren mit Tiermehl der eigenen Spezies, das Anwenden der vielen Antibiotika viel abartiger.
Die Kinder vieler vieler Generationen sind mit dem Wissen um die Herkunft des Fleisches aufgewachsen und waren beim Schlachten dabei und ich glaube nicht, dass sie deshalb zu blutrünstigen Monstern wurden.

Ich bin kein Vegetarier, lebe in einer Großstadt und kaufe mein Fleisch im Supermarkt. Und meine (fast) erwachsenen Kinder würden auch heute noch kein Fleisch von Tieren essen, die sie zuvor lebend gesehen haben. Schnitzel sind ihnen lieber, als Hähnchen, weil man da die Form des Tieres nicht mehr erkennt. Und viele Dinge habe auch ich ihnen nicht zugemutet, aber dass muss doch jeder selbst entscheiden.
Auch mir gefallen die Walfangmethoden nicht, aber man kann nicht jegliche Tradition verdammen.
Manchmal kommt es mir hier so vor, als ob ihr euch mit den ganzen Details über den Walfang nur selbst kasteien wollt. Der Mensch ist gegenüber der eigenen Art doch noch viel brutaler. Würde er sonst so viele Kriege anzetteln? Habt ihr euch mal überlegt, was da mit dem lebenden Menschen alles angestellt wird? Da erscheint mir das Töten von Tieren - wie auch immer - noch relativ "human".

Pitti


Bearbeitet von - Pitti am 10.11.2004 12:19:53
ninni1

Beitrag von ninni1 »

Hört hört!
:-)
ninni1
Ribe

Beitrag von Ribe »

Warum antwortet die dänische Regierung auf Anfragen zum Thema „Walfang auf den Färöer-Inseln“ mit der Formulierung:

„Die färöische Selbstverwaltung paßt die Fangbestimmungen laufend der
Entwicklung an und schenkt eventuellen verbesserten Verfahren große
Aufmerksamkeit“?

Sie könnte doch ganz einfach formulieren:
„Sie sind nicht richtig informiert.“



Ribe






Bearbeitet von - Ribe am 14.11.2004 19:52:26
Lukas

Beitrag von Lukas »

Hej,

vielleicht stimmen einige der folgenden ergänzenden und vertiefenden Informationen und Bemerkungen weiterhin nachdenklich:

-8. Juni 2004-: Bøur/Färöer. 480 Grindwale werden beim Grindabóð getötet.

-Wale sind nicht nachzüchtbar.

-Grindwalschulen haben gegen Motorboote und auf Grund ihres ausgeprägten Sozialverhaltens keine Chance zu entkommen.

-Die Föten sollen angeblich nicht gegessen , sondern an den Strand geworfen werden.

-Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, wie lange der Todeskampf der Wale wirklich dauert.

- Im Gegensatz dazu existieren Studien aus dem Jahr 1997, die nachweisen, dass das Grindwalfleisch nicht nur mit Quecksilber, Kadmium, sondern auch mit organischen Chlorverbindungen angereichert ist. Die Untersuchung einer Gruppe von Kindern der Faröer-Inseln machte den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Walfleisch und Entwicklungsproblemen deutlich.
Aus diesem Grund haben die Behörden der Faröer-Inseln 1998 einen Ratgeber herausgegeben: Innereien der erlegten Grindwale sollten überhaupt nicht gegessen werden, das Fleisch höchstens ein- bis zweimal pro Monat, Frauen sollten Grindwalspeck nicht verzehren, bis sie nicht alle Kinder geboren haben, und Grindwalfleisch soll 3 Monate vor einer geplanten Schwangerschaft, während dieser und während der Stillzeit nicht gegessen werden.

Und trotzdem wurden in den letzten sechs Jahren Tausende von Grindwalen erlegt.

Gegenseitige Schuldzuweisungen führen m. E. nicht weiter , das Thema macht eher deutlich, dass wir u.a. gemeinsam mehr über die zunehmende Meeresverschmutzung und den Sinn von Walfang und dessen Methoden nachdenken sollten, was auch die dänischen Behörden sicherlich seit geraumer Zeit tun, aber in Teilbereichen nicht handeln können.
(STATSMINISTERIET
CHRISTIANSBORG
Prins Jørgens Gård 11, 1218 København K)


Hilsen

Lukas


@Ribe : Es gibt hier noch viele offene Fragen........


@ fast alle: Vielen Dank für die Beiträge und die engagierte Diskussion!
Martin Hofer

Beitrag von Martin Hofer »

Hej!

Zum Thema "Mitgliederentwicklung bei Greenpeace Dänemark" habe ich gerade etwas gefunden:
http://politiken.dk/VisArtikel.iasp?PageID=347091 . Anscheinend ist die Abwärtsbewegung also gestoppt und wieder umgekehrt.

-- snorri

Bearbeitet von - snorri am 28.11.2004 18:42:57
Arnstein
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Beitrag von Arnstein »

So. nun auch noch mein Senf zum Thema, da ich mich intensiv mit dem Grindadráp (Grindwalfang) beschäftigt habe.

Also zurück zum Eingangsbeitrag:
seit Jahren beschäftigt mich das Thema „Walfang auf den Färöer-Inseln“.
Hört, hört, und wie kommt es dann dazu?...:
Ich habe sehr viele Berichte darüber gelesen, möchte aber den Leserinnen und Lesern hier die grausamen Einzelheiten ersparen.
Das ist bedauerlich. Vielleicht liegt es daran, dass die Angelegenheit bei nüchterner Betrachtung gar nicht so grausam ist.
Wichtig ist es aber zu wissen, dass jährlich eine hohe Anzahl von Grindwalen überwiegend nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus traditionellen Gründen in einer Art Volksfeststimmung und Gruppenzwang mit unbeschreiblichen Methoden getötet werden.
Das stimmt leider hinten und vorne nicht. Fakt ist:

1. Die jährlichen Fangzahlen schwanken erheblich, es gibt auch Jahre ohne Grind. Gemessen am Vorkommen des Grindwals im Nordatlantik ist der Fang eher als marginal einzustufen. Das färöische Grindadráp gefährdet den Bestand nicht.

2. Dass der Walfang unkommerziell ist und eine Tradition, ist doch nichts Negatives, sondern kann man positiv sehen. Der Grind wird nach einem Jahrhunderte alten Verteilerschlüssel kostenlos an die gesamte Bevölkerung verteilt (wovon die Jäger natürlich mehr abbekommen).

3. Das Grindadráp ist eine sehr harte Arbeit, da mit traditionellen Methoden gejagt werden muss (es gibt hier scharfe Gesetze, die z.B. Harpunen verbieten). Ein Grindadráp ist nur möglich, wenn diverse Bedingungen zutreffen (ruhige See, geeignete seichte Bucht und genügend Boote und Leute). Natürlich ist das ein Menschenauflauf, denn anders geht es nicht. Und natürlich wird nach der Jagd gefeiert. Man hat ein starkes kollektives Erlebnis gehabt, das sicher nicht belustigend, sondern hart ist und niemandem gleichgültig ist. Außerdem freut man sich natürlich über die so gewonnene kostenlose Nahrung-

Auch zum Nahrungserwerb ist das Walfleisch ungeeignet, da es mit PCB und Schwermetallen belastet ist.
Es stimmt, dass man nicht mehr täglich Grind essen sollte, und dass kleine Kinder ihn höchstens einmal die Woche bekommen sollten. Das ist aber nicht die Schuld der Färinger sondern der Industrienationen, die die Meere verschmutzen und damit den GESAMTEN Walbestand gefährden. Entsprechend sauer sind die Färinger und am Meeresschutz existenziell interessiert (die gesamte Wirtschaft hängt fast ausschließlich von der Fischerei ab).
Dänemark subventioniert (subventionierte?) die Färöer-Inseln, so dass der Lebensstandard der Bevölkerung als hoch einzustufen ist.
Natürlich gibt es den Blockzuschuss, und den haben die Färöer derzeit noch nötig, solange sie kein Öl gefunden haben (Suche läuft und scheint aussichtsreich zu sein). Dennoch ist das Leben auf den Färöern hart. Kein anderes nordisches Land hat so viel Emigration, wie die Färöer. Hier leben mehr Männer als Frauen, weil die Frauen weniger Jobs haben, als z.B. in Dänemark.

Und um dem Entsetzen über die "grausamen Fangmethoden" etwas Fakten entgegenzusetzen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Grindadráp

Ich habe diesen Artikel so neutral wie möglich geschrieben. Eben so wie man über die Hasenjagd schreiben würde.
MagicMatthes

Beitrag von MagicMatthes »

...
Zuletzt geändert von MagicMatthes am 12.05.2006, 23:18, insgesamt 1-mal geändert.
Arnstein
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Beitrag von Arnstein »

@Matthias,

interessante Kommunikation. Wo ist der inhaltliche Bezug zu meinem Beitrag? Ich verwende eben landesspezifische Begriffe. Wenn du den Wikipedia-Artikel lesen würdest, würdest du auch lernen, wie die ganzen anderen Begriffe aus dem Bereich des Grindwalfangs genannt werden. Das meine ich mit einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema an sich, und die findet im Eingangsbeitrag bereits nicht statt.

Da ich nunmal die Fakten kenne, kann ich den Grindwalfang auf den Färöern auch richtig einordnen. Das ist übrigens keine moralische Wertung DAFÜR (ich meine, man sollte drauf verzichten, weil es nicht unbedingt nötig ist, und dem Ansehen der Färöer im Ausland schadet), aber von "unbeschreibbaren Grausamkeiten" zu fabulieren, belegt nur eines: Man hat sich mit dem Thema - trotz gegenteiliger Behauptung - nicht wirklich auseinandergesetzt, sondern liest nur Horrormeldungen aus zweiter Hand, die eine Mischung aus schaurig-schöner Walfangromantik und dem Anblick des rot gefärbten Meeres sind. Dazu kommt das Bild des Berserkers im Blutrausch, der Flipper-Instikt der westlichen Wohlstandsgesellschaften und ein Unwissen über die Jagdmethoden und die dahinter stehenden Gesetze und Traditionen.

Und weil der Eingangsbeitrag noch nicht einmal diese Aspekte abwägt, sondern nur dem Klischee folgt, ist er eben eine Provokation für jeden Färöerfreund.
Arnstein
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Beitrag von Arnstein »

So, hab mir den ganzen Thread mal in Ruhe durchgelesen. Was da teilweise an Links gepostet wurde, sind völlig überzogene und uninformierte Berichte.

Eine wichtige Quelle ist www.whaling.fo (wurde bereits genannt).

Im Wikipedia-Artikel wird ja detailliert auf die Fangmethode eingegangen.

Es ist einfach nicht wahr, dass die Tiere lange leiden. Der 1993 erfundene Blaslochhaken (blásturongul) ist genau auf die Anatomie der Grindwale zugeschnitten und kommt heute nur noch zum Einsatz. Er ist darauf ausgelegt, die Tiere nicht zu verletzen. Es ist auch nicht wahr, dass sie dadurch ersticken würden, der Blaslochhaken wird in einen Hohlraum eingesteckt (dabei steht man im Wasser und kann damit umgehen, weil man es zuvor an toten Walen trainiert hat), wobei der Wal weder verletzt wird, noch zu ersticken droht. Dieser Blaslochhaken ist natürlich stumpf und ist hier abgebildet:

[img]http://www.whaling.fo/images/tools.gif[/img]

(unten mitte)

Der Blaslochhaken wird dazu gebraucht, den Wal festzuhalten, wenn er im seichten Gewässer angekommen ist (der Mensch nutzt hierbei den Umstand aus, dass die Schule dem Leittier folgt und im seichten Wasser die Orientierung verliert, Wale die dem Ring von Booten aufs offene Meer entkommen können, darf per Gesetz nicht nachgestellt werden, was auch von der Polizei kontrolliert wird, die die Jagd beaufsichtigt!). Es ist wichtig, dass der Wal festgehalten wird, damit er eben nicht lange leiden muss bei der nun folgenden Schlachtung.

Dabei wird ein spezielles Grindwalmesser (grindaknívur) verwendet. Es hat eine 15-20 cm lange Klinge. Damit wird dem Wal das Rückenmark im Nacken durchtrennt und gleichzeitig die Halsschlagader. Dadurch stirbt er in Sekunden und verblutet eben nicht, sondern wird regelrecht geköpft. Diese Arbeit erfordert hohe Konzentration und Ausdauer (dabei steht man im kalten Wasser).

Der Spitzhaken (sóknarongul) wird seit Jahren nur noch verwendet, um die toten Tiere an den Strand zu ziehen. Harpunen, Speere oder Schusswaffen sind verboten, einziges Tötungsinstrument ist also das Grindmesser. Damit wird der Wal auch zerlegt.

Untersuchungen haben gezeigt, dass der Todeskampf durchschnittlich eine Minute, in der Hälfte der Fälle nur einige Sekunden. Kein normaler Mensch quält Tiere absichtlich, und das gilt auch für die Färinger, die ja keine "Wilden" sind, sondern von alleine auf technische Innovationen kommen, die das Leiden der Tiere verkürzen.

Es ist mitnichten so, dass das "zum Spaß" betrieben wird, sondern wie gesagt, es stellt einen Grundpfeiler der eigenen Subsistenzwirtschaft dar. Das gilt es bei jedem Volk zu respektieren, zumal, wenn es sich um Jagdtiere handelt, deren Bestand nicht gefährdet ist.

Wenn ich Zeit habe, übersetze ich gerne mal das färöische Grindwalfanggesetz und dann wird vielleicht deutlich, wie sehr man auf eine peinlich genaue Einhaltung des Tierschutzes bei der Jagd bedacht ist. Also nichts von wegen "wahlloses Abschlachten". Die meisten Grindwalherden, die in die Nähe der Färöer kommen, werden eh verschont.

Bleibt also nur die Frage, ob die Färinger das prinzipielle Recht haben, Wildtiere zu jagen und zu verspeisen. Ich denke ja, unter den oben beschriebenen Bedingungen der Jagd.
Arnstein
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Beitrag von Arnstein »

...achja noch was. In einem der genannten Artikel steht was von einer Jagdsaison im Sommer. Das ist so nicht richtig. Ein Grind kann grundsätzlich an jedem Tag im Jahr passieren. Nur sind die Bedingungen im Winter eben wesentlich schlechter (See, Wetter, Dunkelheit), weswegen man nach einem Grindalarm (grindaboð) keine Jagd einleiten kann, weil sie von der Polizei gar nicht erst genehmigt wird. Wohlgemerkt, es ist die Polizei, die die Jagd überhaupt erst genehmigen muss, und wenn es genug Grind in einem Jahr gab (wie gesagt, es gibt einen Verteilerschlüssel für alle Haushalte), dann gibt es auch keinen Grindwalfang mehr, zumal ja alle Kühltruhen voll sind und die Versorgung der Bevölkerung gesichert.

Natürlich hat der Grindwalfang heute nicht mehr die große Bedeutung, die er noch hatte, als das dänische Handelsmonopol über die Färöer herrschte (bis 1856), also bevor die Färinger selber Handel und seit ca. 1880 auch Hochseefischerei betrieben. Im Zweiten Weltkrieg erhielt der Grindwalfang noch mal eine besondere Bedeutung, weil er existenziell wichtig war für die Versorgung (die Färöer waren britisch besetzt und von Dänemark getrennt - übrigens mit einer eigenen Regierung). Der letzte Zeitraum, wo erneut der Grindwalfang eine "überlebenswichtige" Rolle spielte, war die Wirtschaftskrise Ende der Achtziger, Anfang der neunziger, als die Arbeitslosigkeit brutalste Ausmaße annahm und die Färöer einen enormen Auswanderungsdruck aushalten mussten. Viele Familien lebten regelrecht vom kostenlosen Grindwalfleisch.

Übrigens ist tvøst og spik (Grindwalfleisch und Speck) nicht nur sehr nahrhaft, sondern auch lecker. Ich war zum Beispiel mal eines Tages krank auf den Färöern (allgemeine Erschöpfung oder sowas). Jemand hat mir ein Grindwalsteak gebraten, und das hat mich noch am selben Tag wieder völlig fit gemacht. Man kaut lange an diesem Fleisch, nicht weil es extrem zäh wäre, sondern eben weil es so gehaltvoll ist (übrigens über Jahrhunderte die einzige große Vitaminquelle der Färinger).

So, nun ist mein Brochmandslestur (so nennt man auf den Färöern langweilige Predigten) endgültig fertig. Takk fyri. :wink: