Schule, Bildung in DK nach PISA

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wuschka
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Schule, Bildung in DK nach PISA

Beitrag von wuschka »

Hallo,
nachdem wir von verschiedenen Dänen erfahren haben, dass in DK sich nun auch nach PISA die Bildungspolitik arg zu ändern scheint, interessiert uns Eure Einschätzung und Erfahrung als Eltern und weitere Fachleute.

Stimmt es, dass nun mehr Test geschrieben werden müssen?

Wie sieht es mit Frontalunterricht versus Individuellem Lernen und Bildungscoaching aus?

Wie geht es den Kids damit?

Inwiefern wird sich an den anderen skandinavischen Nachbarn orientiert?

All diese Fragen, weil besonders unsere Entscheidung Richtung DK auf dem besseren Schulsystem BISLANG beruhte....

Vielen Dank
wuschka

Beitrag verschoben von Moderator MHÅ
...der kopf ist rund, damit das denken die richtung ändern kann...
evi jensen
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Beitrag von evi jensen »

hej,
ausführlich kann ich dir erst nächste woche antworten, da wir bald besuch aus deutschland bekommen, am sonntag dann taufe, also keine schreib - zeit für evi. aber kurz: das kommt hier wie in deutschland auf die schule an. und auf den kiga, denn auch dort werden nun læringsplandre angewendet. '

da kann ich dir von meinen erfahrungen berichten, da hirtshals schon lange, bevor es von der regierung gefordert wiurde, læringsplaner für 0-6 jährige hatte und da schon was drüber weiss, sowohl als mama, als aiuch als frau vom fach. da wir sehr dicht mit der sschule zusammenarbeiten, kann ich auch da ein wenig berichten. aber wie gesagt, erst nach der taufe. und falls ich es vergessen sollte, darfst du mich daran erinnern, da das eines meiner steckenpferde ist.

liebe grüsse aus dem sonnigen dk

evi, auf dem weg zum flughafen um 4 deutsche und ein kilo leberkäs abzuholen :mrgreen:
wuschka
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Beitrag von wuschka »

Danke EVI,
ich werde Dich sehr gerne erinnern...und nun... HAB DU EIN RICHTIG SCHÖÖÖÖNES FEST für und mit dem neuen Erdenbürger!

Gruß Wuschka
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Lars J. Helbo
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Re: Schule, Bildung in DK nach PISA

Beitrag von Lars J. Helbo »

wuschka hat geschrieben: nachdem wir von verschiedenen Dänen erfahren haben, dass in DK sich nun auch nach PISA die Bildungspolitik arg zu ändern scheint, interessiert uns Eure Einschätzung und Erfahrung als Eltern und weitere Fachleute.
Ich denke das ist etwas übertrieben. Es stimmt schon, dass die Regierung gerne das ganze Bildungssystem zentralisieren mögte und dabei Tests und Noten einführen würde. Dabei wird auch PISA ohne Sinn und Verstand als Vorwand genutzt. Das der Hinweis auf PISA nur ein Vorwand ist, sieht man ja deutlich daraus, dass DK und DE fast auf dem gleichen Niveau bei PISA landeten, und die Regierung in DK versucht jetzt dieses Problem zu lösen indem man Sachen aus der deutsche Schule kopiert (Noten, Test, zentral festgelegte Lehrpläne).

Aber man sollte nicht übertreiben. Wir sind zum Glück noch meilenweit von deutsche Verhältnisse entfernt. Alle Kinder sind von der 0te bis 9te Klasse zusammen. Noten und Prüfungen gibt es erst ab der 8te Klasse. Und daran wird voraussichtlich auch nichts geändert.

Neu ist, dass es jetzt zentral festgelegte Ziele für den Unterricht in den verschiedene Fächern gibt. Siehe mal hier:

http://www.faellesmaal.uvm.dk

Hier kann man lesen, was die Kinder nach der 2, 4, 6 und 9 Klasse in jedem Fach können müssen. Das ist vielleicht für deutsche Verhältnisse nichts weltbewegendes, aber in DK ist das eine ziemliche Revolution, dass es so etwas gibt.

Neben diese "Fælles mål" hat die Regierung einige sogenante "Kanon's" geschaffen. Das sind Listen mit "besonders wichtige Sachen innerhalb von verschiedene Bereiche. Z.B. gibt es ein "Kulturkanon" hier:

http://www.kulturkanon.kum.dk

Dahinter steckt irgendwie der Vorstellung, dass man eine Listen von alles wichtiges machen kann. Und dann sollte niemanden die Schule verlassen dürfen, ohne mit alle diesen wichtigen Sachen bekannt zu sein. Auch das ist für deutsche vielleicht nichts besonderes, aber in DK ist es ziemlich unerhört, dass die Regierung versucht detaillierte Lehrinhalte vorzuschreiben.

Die Einführung dieser Fælles mål und den Kanonen ist also weitgehend das was sich geändert hat.

Es gibt aber auch (immer noch) ein paar andere wesentliche Unterschiede, wenn man mit DE vergleicht. Erstens darf in eine Klasse niemals mehr als 28 Schüler sein. Bei 29 Schüler muss die Klasse geteilt werden.

Anders ist auch, dass wir freier Schulwahl haben. Wenn die Schule Dir nicht passt kannst Du jeder Zeit, sofort und ohne Warnung Dein Kind in eine andere Schule schicken (Du musst Dich nicht einmal bei der Alte Schule abmelden).

Und wenn es in der Gegend keine Schule gibt, der Dir zusagt, dann kannst Du mit anderen Eltern zusammen Deine eigene Schule machen. Das tun wir im Moment:

http://www.frijsendal.dk

Wir müssen dann ein Unterricht "entsprechend dem Niveau was in der Folkeskole üblich ist" anbieten. Dafür bekommen wir als Zuschuss 85% von dem was ein Schüler in Folkeskolen im Landesdurchschnitt kostet, und wir sind dann nicht vom Fælles mål oder den Kanonen gebunden. Man kann auch viele andere Sachen frei entscheiden. In unsere Schule wollen wir z.B. höchstens 16 Schüler in eine Klasse haben.

Eigene Schulen machen jetzt immer mehr Eltern. Im Moment gehen 13% der Schüler in eine freie Schule. 1970 waren es nur 4%. Und in Kopenhagen ist es schon über 25%. Es gibt schon Experten, die sagen in 25 Jahren ist die freie oder private Schule der Norm und Folkeskolen wird dann eine Art staatlich getragene Sonderschule werden.
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Anton
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Beitrag von Anton »

Hallo,
Es gibt schon Experten, die sagen in 25 Jahren ist die freie oder private Schule der Norm und Folkeskolen wird dann eine Art staatlich getragene Sonderschule werden.
Auf der einen Seite ist es sehr gut, dass z. B. engagierte Eltern Privatschulen gründen können, aber trotzdem beobachte ich diese Entwicklung mit einem etwas flauen Gefühl.

Privatschulen sind eine Reaktion auf Versäumnisse des staatlichen Schulsystems (vernünftiges und effektives Fördern und Fordern scheint sowohl in D und DK dort nicht so recht gelingen).

Nun gleichen engagierte Eltern mit Zeit und vielleicht auch Geld diese Defizite aus.

Staatliche Schulen werden dann vielleicht tatsächlich in absehbarer Zukunft zur Sonderschule für Kinder, deren Eltern dieses Engagement nicht aufbringen können oder wollen.

Das aber kann nicht Sinn und Folge einer Bildungspolitik sein, die immer von Chancengerechtigkeit etc. sprach- oder?

Viele Grüße

Anton
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Theoretisch hast Du bestimmt recht.

Es geht hier aber nicht um Geld. Es gibt ja wesentliche Zuschüsse vom Staat in DK. Deshalb muss es gar nicht teurer werden. Unsere Preise sind relativ typisch:

http://www.frijsendal.dk/skolen/priser.php

Für Kinder in der 0 bis 3 Klasse die auch die Freizeitbetreuung benutzen ist es sogar billiger als die kommunale Schule. Dort ist die Schule zwar gratis aber die Freizeitbetreuung kostet 1476,- Kr/Monat.

Es geht also allein um das Engagement der Eltern. Hier stimmt es natürlich, dass Kinder deren Eltern sich nicht für die Schule interessieren, insgesamt benachteiligt sind. Für diese Kinder gibt es tatsächlich keine Chancengleichheit.

So weit mit der Theorie. Praktisch ist es aber überall so, das engagierte Eltern dafür arbeiten die Chancen ihre eigene Kinder zu fördern. Das geht natürlich immer irgend wie auf kosten der Chancengleichheit - soll man es deshalb unterbinden ?
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MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Um auf die Eingangsfragen zurückzukommen:
Die grossen Stärken des dänischen Schulsystems im Vergleich zum deutschen sind meines Erachtens:
- Ein Schule, die bis zum Alter von ca. 14 Jahren keine Leistungs- und Versagensangst aufbaut.
- Ein extrem hoher Ressourceneinsatz (in der Folkeskole), dessen bester Output darin besteht, dass Kindern und Klassen mit Problemen Extrapädagogen bzw. -stunden zugeordnet werden.
- Eine Integration der verschiedenen sozialen Schichten im Wohngebiet, womit man der ansonsten sehr starken Segregation in DK, bedingt durch Gemeindesteuern und verschiedene soziale Leistungen und Bedingungen, entgegenwirkt.

Die Änderungen die die Regierung u.a. aufgrund von Pisa veranlasste, sind

- eine etwas grössere Harmonisierung/Präzisierung der Lernziele pro Altersstufe,
- mehr Tests, um das Erreichen der Lernziele zentral verfolgen zu können.

Ich meine nicht, dass diese Reformen die o.g. Stärken beeinflussen. Die Tests zielen nicht auf eine Disziplinierung oder Motivierung der Schüler ab, sondern dienen statistischen und unterrichtsverbessernden Zwecken. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die Schüler ihre Resultate aus den Tests erfahren. Die Lehrer erfahren sie wohl, und bekommen damit einen Massstab und zugehörige Statistik, ihre Methoden und Lehrerfolge selber zu berurteilen. Dieser Gedanke liegt dem dänischen Schulwesen traditionell eher fern, leider.

Ich erlebe nicht, dass es Unterschiede in bezug auf Umfang von Frontalunterricht, "freiem Lernen oder Bildungscoaching" gibt; ich glaube eher dass die Unterschiede innerhalb Deutschlands und auch von Lehrer zu Lehrer gross sind. Die Reform in DK ändert nichts. Die Ideale, die auf disem Gebiet in DK teilweise propagiert worden sind, haben in der Folkeskole nie funktioniert und sind heute auf einem Niveau realisiert, wie es auch in D besteht. (Ich vergleiche meine eigene Schulzeit in D vor 30 Jahren und was ich so höre mit DK heute!)

Die dänische Reformdebatte, sofern sie sich auf Pisa bezieht, orientiert sich ausschliesslich an den Verhältnissen und Resultaten in Finnland und Schweden und natürlich den länderübergreifenden Interpretationen der Zahlen. Nordkorea, Frankreich, Neuseeland usw. spielen keine Rolle. Schweden hat im letzten Pisatest stark an Glanz verloren. Finnland wird mit Verweisen auf verschiedene Sonderverhältnisse relativiert.

Die Themen "freie" Schulwahl und Privatschulwesen sind in diesem Forum schon oft diskutiert worden. Fakt ist, dass der Wechsel HIN zu anderen öffentlichen Schulen nicht so problemlos ist, wie es auf dem Papier aussieht. Fakt ist auch, dass die Überführung eines Kindes an Privatschulen im Raum Kopenhagen ganz anders motiviert ist, als auf dem flachen Land, nämlich eher mit einer Abstimmung mit den Füssen. An diesen städtischen Privatschulen gelten die Ideale der herkunfts-, gesundheits- und motivationsmässigen "Geräumigkeit" nicht.

Lars´ Beitrag ist auch insofern aufschlussreich, als er einige gängige Vorurteile von Dänen über das deutsche Schulwesen wiedergibt. Typisch ist der Glaube, dass es in Deutschland Kanons gäbe. Tatsache ist, dass es die in Deutschland nur auf Bundeslandniveau, nur für Literatur und nur als Kataloge zur Auswahl gibt. Kanons im dänischen Sinn, die TOP-X dänische Werke auf allen möglichen Gebieten, die jeder kennen sollte, gibt es nicht. Die aktuelle Kanonpolitik in DK hat mit Pisa im Grunde nichts zu tun, sondern entspringt der konservativen und nationalistischen Geisteshaltung entscheidender Politiker.

Du, Wuschka, fragst nicht nach den Schwächen der dänischen Folkeskole, deshalb sage ich auch nicht mehr dazu, als dass die Reformen die zentralen Schwächen auch nicht angehen.
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ich bin nicht wirklich uneinig. Nur ein paar Bemerkungen.

Das große Problem bei den Reformen sehe ich auch nicht darin, dass sie den Leistungsdruck erhöhen würde. Problematisch sehe ich aber, dass die zentrale Lernziele und Prüfungen Zeit kosten. Wenn die Lehrer sich mit immer neue Vorschriften vertraut machen müssen und immer mehr Prüfungen durchführen müssen, dann kostet dies Zeit und diese Zeit geht vom Unterricht und Vorbereitung ab. Da ich nicht sehe, welche Vorteile diese Reformen bringen könnte, dann halte ich dies für ein wesentliches Problem.

Was PISA angeht, dann ist die Lage wirklich sehr merkwürdig. Es stimmt, dass immer wieder Finnland und zum teil Schweden als Vorbilder aufgestellt werden. Das hat aber mit den Ergebnissen dieser Länder nichts zu tun, sondern es geht einfach darum, dass man in der Öffentlichkeit ein relativ positives Bild mit diese Länder verbindet. Deshalb kann man diese Länder als "nachahmenswert" darstellen. Das wäre mit Frankreich schwierig und mit Japan oder Korea absolut unmöglich.

Die Reformen, die dann teilweise mit dieser Begründung durchgeführt werden, gehen aber gar nicht in Richtung Finnland, sondern eher in Richtung DE- obwohl auch nicht eindeutig.

Es stimmt, dass die wirkliche Ursache für den Reformen in konservative und nationalistische Geisteshaltungen einiger Politiker liegt - zumindest wenn es um den Kanons geht. Es ist ja typisch, dass sie im Kultusministerium erstellt werden - unter den konservativen Kultusminister. Für die Konservativen waren die Kanons sehr wichtig. Im Endeffekt werden sie aber vermutlich nicht sehr viel bedeuten, weil kein Mensch sie wirklich ernst nimmt. Wenn ein neuer Kanon veröffentlicht wird, gibt es eine Debatte darüber, was alles anders hätte sein sollen, aber nach eine Woche ist die Sache vergessen.

Was die zentral festgelegten Lernziele und Prüfungen angeht, dann steckt meines Erachtens ein Allianz zwischen DF, K und SPD dahinter. Es geht einfach um Politiker die Angst vor der Vielfalt haben und daher versuchen zu kontrollieren und vereinheitlichen. Ich glaube aber nicht, dass es viel weiter in die Richtung gehen kann. Erstens sind diese zentralistisch denkende Politiker ja nur darüber einig, dass sie zentral steuern wollen. Wenn sie dazu kommen festzulegen, wo hin gesteuert werden soll, hört die Einigkeit auf.

Zweitens liegt diese zentralistische Gedanke - wie Michael ganz richtig schreibt - dem dänischen Schulsystem eher fern. Oder wie ich das sagen würde, es ist in jeder Art und Weise "udansk" (das schlimmste Schimpfwort, was es hier im Lande gibt), es wiederspricht alles, was wir von Grundtvig gelernt und verinnerlicht haben. Daher glaube ich auch nicht dass dies von Dauer sein wird. Ich denke es wird relativ bald eine heftige Gegenreaktion kommen. Die Verbreitung der freien Schulen ist ja schon so was - weil man sich eben nicht mit der Vereinheitlichung abfinden will.
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Beitrag von wuschka »

Junge, Junge ....das sind sehr konkrete, erhellende und natürlich auch z.T. beruhigende Antworten!!!

Dafür brauche ich etwas Zeit das zu verinnerlichen.
Nun denn, und gerade trotzdem die Frage an MichaelD...:

Die Schwächen der Folkeskole, BITTE!!!

Dies dann auch nicht nur an mich als Elternteil formuliert, sondern auch aus dem Bereich der Pädagogik kommend. Das ist mir wirklich, wirklich wichtig!!

Vielen Dank schonmal!!
Wuschka
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

wuschka hat geschrieben: Die Schwächen der Folkeskole, BITTE!!!
Das geht nicht, weil es der Folkeskole nicht gibt. Es gibt einfach riesen Unterschiede von Schule zu Schule und auch noch von Lehrer zu Lehrer innerhalb der gleiche Schule - manche können das, andere nicht.
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MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

In der gleichen, verallgemeinernden Weise, wie ich über Stärken schrieb, kann man natürlich auch über Schwächen schreiben. Dazu gehören:
- Ein enormer Ressourcenverbrauch, der u.a. von grossen, dezentralen Verwaltungsstellen an der Schule und grossen Absprachebedarfen unter Lehrern herührt,
- mangelnde Tradition für eine Entwicklung der tatsächlich angewandten Unterrichtsmetoden auf der Basis wissenschaftlicher oder statistischer Erkenntnisse (ist in D bestimmt auch nicht toll),
- eine sehr schwache Stellung (Autorität) des Lehrers vor allem gegenüber den Schülern, aber auch gegenüber den Eltern und der Leitung,

und daher ein Teufelskreis aus

- überstarkem Fokus auf allgemeines Wohlergehen, auf Sprechkompetenzen und auf den Wert von Diskussionen und Überredungen,
- Feminisierung des Schulwesens, sowohl des Personals wie des Lehrstoffs und der Unterrichtsformen/-methoden, die Buben vergrault und letztlich in ihrer ganzen Bildungskarriere benachteiligt,
- mangelndem Gegensteuern gegen geschlechtsspezifischen Tendenzen und Moden unter Schülern,
- Versagen gegenüber Einwandererkindern mit begrenzten Sprach- und Sprechkompetenzen,
- niedrig priorisierter Fachlichkeit,
- schwachem Druck auf verbesserte/höhere Ausbildungen,
- niedriges Ansehen in der Öffentlichkeit und eine Kultur der Weinerlichkeit,
- niedriger Gehaltsentwicklung und mangelnder Karrieremöglichkeit,
- mangelnder Attraktivität des Berufs und Lehrermangel.

Ich will nicht schwarzmalen, das dänische Schulwesen ist mir trotz allem noch sympatischer als das deutsche. Andererseits ist eine Trendwende und damit eine Entwicklung hin zur Spitzengruppe der Schulsysteme schwierig.

Noch ein paar andere Bemerkungen: Ich muss immer schmunzeln, wenn Dänen mir von der dänischen Abneigung gegen Zentralismus erzählen. Ich empfinde Dänemark als sehr zentralistisch. Hier werden Kommunen in einem Masse durch Landespolitiker gegängelt, das ich aus Deutschland nicht kenne, schon allein finanzpolitisch. Wenn Teile der Reform scheitern, dann meiner Meinung nach nicht aufgrund eines antizentralistischen Affekts, sondern weil die o.g. Schwächen der Folkeskole zäh gegen Veränderungen sind.

Mich würde umgekehrt stark interessieren zu hören, inwiefern sich die dänischen Reformen an Deutschland orientieren. Gibt es da Zitate von Entscheidungsträgern?
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

MichaelD hat geschrieben: - eine sehr schwache Stellung (Autorität) des Lehrers vor allem gegenüber den Schülern, aber auch gegenüber den Eltern und der Leitung,
Dem kann ich nicht zustimmen bzw. es gibt verschiedene Arten von Autorität. Es stimmt, das es wenig formelle Autorität gibt (Gott sei dank). Ein guter Pädagoge schafft sich aber seine eigene Autorität.

An unsere Schule sehen wir das im Moment sehr deutlich. Die meisten Lehrer haben hier keine Autoritätsprobleme, wir haben aber ein Lehrer (zum Glück nur für ein paar Monate), der sich absolut nicht durchsetzen kann. Wenn er eine Klasse hat, steigt der Lärmpegel deutlich.

Nun habe ich aber einmal eine seiner Stunden erlebt, und musste feststellen, dass er als Lehrer absolut unfähig ist. Sein Unterricht ist unstrukturiert und wenig inspiriert. Er praktisiert gerne Frontalunterricht der schlimmsten Sorte, und wenn er einmal etwas anderes macht, ist das ganze aher chaotisch.

Die Kinder machen also nicht Lärm weil sie böse sind, sondern weil sie zu recht mit dem Unterricht unzufrieden sind. Sie können das nur nicht richtig formulieren.

Hier kann die Lösung aber nicht darin bestehen, die berechtigte Unzufriedenheit der Kinder mit formeller Disziplin zu unterdrücken. Der Lärm, den sie in diese Stunden veranstalten ist doch ein Zeichen von Gesundheit und sollte als Anlass genommen werden, den Unterricht zu verbessern.
MichaelD hat geschrieben: - überstarkem Fokus auf allgemeines Wohlergehen, auf Sprechkompetenzen und auf den Wert von Diskussionen und Überredungen,
...
- niedrig priorisierter Fachlichkeit,
Ich bin absolut uneinig - und ich finde, dass der ganze Geschwafel von "Fachlichkeit", den wir im Moment von den Politikern hören, ein riesen Unfug ist.

"Ein Kind ist keine Flasche, dass aufgefüllt werden soll, sondern ein Feuer dass entfacht werden soll"

Die wichtigste Aufgabe eines Pädagogens ist es, die Kinder zum lernen zu motivieren. Vor einiger Zeit habe ich in ein deutsches Talkshow den Vorsitzender des deutschen Lehrerverbandes gesehen. Er hat behauptet, es sei allein Aufgabe der Eltern, die Kinder für das Lernen zu motivieren. Ich begreife nicht, wie so ein Mensch Lehrer sein kann.

Wenn die Kinder sich in der Schule wohl fühlen, dann bekommen sie Spaß am lernen und dann lernen sie auch. So einfach ist es.

Und es funktioniert. Wenn wir zwischen DE und DK vergleichen, dann ist eindeutig, dass die Kinder in DK weniger Druck und weniger Stress haben. Es dauert dafür auch länger, bis sie z.B. lernen zu lesen. Laut Plan sollten sie nach dem dritten Schuljahr normalerweise lesen können, es wird aber nicht als Katastrophe angesehen, wenn sie das nicht können. Von dem was ich aus DE höre wird es dort wohl schon kritisch, wenn sie nach dem ersten Schuljahr noch nicht lesen können?

Ich nehme nun an, dass die Kinder beim Schulstart in DE und DK fachlich auf dem gleichen Niveau sind. Im 3. oder 4. Schuljahr sind die Kinder in DE deutlich weiter (wir reden hier von rein fachliche Sachen wie Lesen, Aufsätze schreiben etc.). Pisa zeigt aber eindeutig, dass sie Kinder mit 15-16 wieder auf dem gleichen Niveau sind. Damit haben wir drei Punkte und können somit für jedes Land eine "Lernkurve" konstruieren. Die sieht dann so aus:

http://www.picturehosting.com/images/ljhelbo/kurve.jpg

Die Ursache dafür finden wir auch in den Pisa-Ergebnissen. Es gibt nämlich ein einziges Punkt, wo die Kinder in DK deutlich vor alle anderen liegen: Sie gehen gerne zur Schule!

Und das ist genau der Punkt. Weil die Kinder bis in den hohen Klassen der Freude am Lernen erhalten dürfen, dann holen sie das Fachliche in den höheren Klassen ganz schnell wieder ein.
MichaelD hat geschrieben: - mangelnder Attraktivität des Berufs und Lehrermangel.
Ja, das wird oft gesagt. Ich halte es aber für eine unbewiesene Behauptung.
MichaelD hat geschrieben:Mich würde umgekehrt stark interessieren zu hören, inwiefern sich die dänischen Reformen an Deutschland orientieren. Gibt es da Zitate von Entscheidungsträgern?
Die wirst Du nicht finden. Selbst wenn ein Politiker das deutsche Schulwesen als Vorbild sehen würde, wäre er nicht so blöd es offen zu sagen. DE hat immer noch ein Image das von Autorität und Disziplin geprägt ist, und dafür gibt es in DK keine Mehrheit.
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Beitrag von MichaelD »

Meine Antwort zu Lars´ Thesen ist leider im Cyberspace verschwunden, deshalb diser späte Anlauf der Entgegnung:

Autorität: Die Reaktion von Lars ist typisch für die traditionelle dänische Debatte: Wenn die Klasse unruhig ist, ist der Lehrer schuld/ist der Lehrer inkompetent. Ich halte dies für einseitig und falsch. Viele Kinder sind sehr unruhig und sehr egoistisch von zu Hause oder Natur aus; wenn sie nicht zugleich behindert sind, folgt kein Spezialpädagoge mit. Ist die Lunte kurz, die individuellen Bedarfe verschieden und die Kinder nicht zur Solidarität erzogen, ist es sehr schwer, sie in eine gemeinsame Richtung zu bekommen, wenn man keine formale Autorität hat. Dazu kommt: Wie alle Kinder, brauchen auch Schulkinder ein angemessenes Verhältnis aus Freiraum für Eigenverantwortung einerseits und andererseits Grenzen, wo die Reife noch nicht reicht. Diese Grenzen können nur mit einer gewissen formalen Autorität durchgesetzt werden. Lässt man die Nervösen dominieren, werden die anderen passiviert, oder schlimmer noch, sie verlieren jede Konzentrationsfähigkeit.

Es mangelt an Instrumenten. Das dänische Bildungswesen setzt in hohem Masse auf kollektive Beschlüsse zwischen Lehrern und Elternkreis und Einzelgespräche mit den Eltern, aber leider sind gerade Eltern von Kindern mit Problemen typischerweise "ausserhalb pädagogischer Reichweite", wie man in DK sagt. Dazu kommt, dass ich (wie die aktiven und ehemaligen Lehrer, mit denen ich darüber gesprochen habe) das Vertrauen in die theoretischen Möglichkeiten des Unterrichts nicht teile. Zum einen ist kein Lehrer Superman, der stets jede Unruhe und jeden persönlichen Angriff souverän hantieren kann. Zum anderen sind unsere Kinder heute an einen Grad der Faszinantion aus individueller Unterhaltung gewonnt, mit der selbst der beste kollektive Unterricht nicht konkurrenzfähig ist.

Lehrermangel und Fachlichkeit hängen zusammen und eine echte Herausforderung in DK. Es ist richtig, das bislang noch in jeder Klasse einer rumläuft - aber was für einer!

- Die Kommunen reduzieren seit Jahren die Stundenzahlen immer mehr auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmass. Zugleich wird der Doppeltlehrerunterricht mit Ausnahme von niedrigen Klassen mit riesigen Herausforderungen abgeschafft. Dies entlastet den Arbeitsmarkt, schadet aber den Bildungschancen einiger Kinder.

- Es ist in der Folkeskole nicht vorgeschrieben, dass Unterricht durch Lehrer mit Kompetenzen in dem betreffenden Fach geleistet wird. Das ist in der Folkeskole in vielen Fächern auch alles andere als normal. Es gab vor einigen Jahren einigen Wirbel um die Tatsache, dass die Mehrzahl der Deutschstunden nicht von qualifizierten Lehrer abgehalten wird. Erhebliche Probleme gibt es meines Wissens auch für Französisch, Physik und Sport. Ich kenne keine Statistik, die die aktuelle Entwicklung erhellt, aber es stimmt nachdenklich, dass die Lehrerausbildung vor wenigen Jahren umgestellt worden ist - neue Lehrer erhalten nun Basiswissen in Stoff und Didaktik in mehr Fächern, statt fortgeschrittene Kompetenz in wenigen. Ob das mit sich führt, dass bald endgültig kein Deutschlehrer mehr Deutsch konversieren kann?

- Um den drohenden Lehrermangel zu beheben, hat die Regierung vor wenigen Jahren auch einen alten Hut der Nachkriegszeit wiederentdeckt: Den Meritlehrer, d.h. eine Person anderer Ausbildung, zwischenzeitlich vielleicht langzeitarbeitslos, dann umgeschult und auf die Schüler losgelassen. Ohne Zweifel sind viele Meritlehrer kompetent bzw. hoch motiviert, aber ich glaube trotzdem nicht, dass die Kompetenzen im Durchschnitt dem der Fachlehrer entspricht.

- Aktuelle Statistiken zeigen, dass die Lehranstalten heute wesentlich schwächere Abiturienten (und immer mehr Fachabiturienten) aufnehmen als vor 15 Jahren, um ihre Plätze aufzufüllen. Gleichzeitig steigt der Anteil der Abbrecher in der Lehrerausbildung (besonders hoch an eben jenen schwachn Abiturienten und Fachabiturienten). http://www.uvm.dk/statistik/larerstuderende.htm?menuid=5505

Kurz gesagt, um den drohenden Lehrermangel zu beheben, ist man in den letzten Jahren vielerlei Kompromisse bei den Kompetenzen eingegangen.

Aktuelle Prognosen besagen alle, dass es trotz allem einen Lehrermangel ab etwa 2012 geben wird, siehe http://www.uvm.dk/07/documents/laererprognose2007_20070809.pdf

Thema Inspiration aus Deutschland?
MichaelD skrev:
Mich würde umgekehrt stark interessieren zu hören, inwiefern sich die dänischen Reformen an Deutschland orientieren. Gibt es da Zitate von Entscheidungsträgern?

Lars schrieb:
Die wirst Du nicht finden. Selbst wenn ein Politiker das deutsche Schulwesen als Vorbild sehen würde, wäre er nicht so blöd es offen zu sagen. DE hat immer noch ein Image das von Autorität und Disziplin geprägt ist, und dafür gibt es in DK keine Mehrheit.
Citat slut.

Hierzu folgendes: Wenn es keine Indizien für diese Behauptung gibt, ist sie ja gratis! Ich glaube die Wahrheit ist eine andere: Hier versuchen Gegner der Reform sie anzuschwärzen, indem sie traditioneller antideutscher Affekte zu aktivieren suchen.
runesfar

Beitrag von runesfar »

Nur - kurz - ein par kommentare.

Det er rigtigt, at problembørn kan være forstyrrende osv. Men jeg ved også, fra juniors skole, at omgangen med de såkaldte problembørn kan lære ungerne en masse. Jeg snakkede med min dreng om en elev fra hans klasse for et par dage siden. Hans observation: "Ja Brian laver dumme ting. Men vi laver alle sammen dumme ting en gang imellem. Vi skal bare lære af dem".

Den viden er ikke dårlig for en 1.ste klasses-elev.

Forskellen på DK og Tyskland - jeg havde en snak med en kilde forleden. Manden er lærer og vi kom til at tale om de første rytterskoler i kongeriget.

Jeg nævnte at præster, degne og andre klerikale blev forpligtet til at være lærere, da skolepligten blev indført i Danmark.

Så blev der lige stille et øjeblik. Jeg kunne se en ti-øre falde. Og manden sagde så: "Ja - og i Tyskland brugte man tidligere underofficerer".

Hvis man kan tale om institutionel hukommelse - og det tror jeg man kan - så er det måske en del af forklaringen på forskellene.
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Tjah, ich glaube eben nicht, dass Kinder "von Natur aus unruhig" sind. Ich glaube, dass sie von Natur aus vor allem wissbegierig sind, dass sie dann aber ungeduldig und deshalb unruhig werden, wenn ihr Durst nach Wissen nicht gestillt wird.

Von formaler Autorität halte ich recht wenig, von natürlicher Autorität dagegen sehr viel. Wenn ich in unsere Schule beobachten kann, dass eine Klasse bei ein Lehrer extrem unruhig ist - in der folgende Stunde bei ein anderer Lehrer dagegen sehr ruhig und konzentriert, dann glaube ich, dass der Fehler an dem Lehrer liegt und nicht an den den Kindern oder die formalen Rahmen.

Es stimmt, dass es keine formelle Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Lehrer gibt, und? Seien wir doch mal ehrlich. Das was fachlich in den ersten 10 Jahren gefordert wird, ist doch in den meisten Fächern letztendlich Pippifax. D.h. wenn der Lehrer einen ordentlichen Allgemeinwissen hat und wenn er immer ordentlich vorbereitet ist - also mindestens 2 Lektionen im voraus ist, dann wird er doch keine fachliche Probleme bekommen - vorausgesetzt er ist ein guter Pädagoge.

Nehmen wir mal Mathematik in sagen wir 3 bis 6 Schuljahr. Nun gibt es zwei potentielle Lehrer. Der eine ist ein toller Pädagoge mit viel natürlicher Autorität, mit viel Liebe zu Kindern, hat aber nach der Abitur kein weiterer Mathematik gelernt. Der andere hat Mathematik bis zur höchsten Stufe an der Uni studiert, hat dafür keine Ahnung von Pädagogik und kann eigentlich mit Kindern nicht umgehen. Wer ist da wohl der bessere Lehrer?

Dazu kommen noch zwei Probleme, die sich ergeben, wenn man fachlich hoch qualifizierte Lehrer verlangt. Erstens bekommt man dann oft Lehrer, die sich mehr für das Fach als für die Kinder und den Unterricht interessieren. D.h. Menschen die sich eigentlich für Mathematik, Englisch oder Geographie interessieren und dies studiert haben. Die dann aber nach dem Studium feststellen mussten, dass es in ihrem Fach viel zu wenig Stellen gibt und deshalb notgedrungen Lehrer wurden.

Zweitens kann ein Lehrer dann nur in ein oder ganz wenige Fächer unterrichten. Dadurch ergibt sich ein sehr steifer und aufgeteilter Unterricht und damit Alltag für die Kinder. Der moderne, globalisierte Welt besteht aber nicht aus Mathematik, Englisch und Biologie. Der Welt besteht aus komplexe Zusammenhänge, die über viele Fächer übergreifen.

Ich hatte kürzlich ein Text von der Professor Mike Sandbothe (früher Jena jetzt Aalborg). Es geht um sein Vortrag auf dem Bildungstag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zum Thema: Lernwege, Schloss Belvedere, Weimar, 20. Mai 2000. Sprachlich ist es unmöglich, aber ich denke er hat einige wesentliche Punkte. Der Anfang lautet:
Der sich gegenwärtig vollziehende Übergang von einer durch das gedruckte Wort und die gesprochene Sprache bestimmten Lehr- und Lernkultur zu einer pädagogischen Praxis, für die das Arbeiten im multimedialen Environment des Internet zentrale Bedeutung erlangt, stellt vier Basisannahmen des traditionellen pädagogischen Selbstverständnisses in Frage.

Die erste Basisannahme besteht in der Vorstellung, daß das in der Schule und an der Universität zu vermittelnde Wissen abgelöst von seinen konkreten Verwendungszusammenhängen in einem spezifisch akademischen Raum theoretischer Wissensvermittlung zu lokalisieren sei.

Die zweite Basisannahme besagt, daß der Unterricht in Klassenzimmer und Seminarraum als Kommunikation unter Anwesenden zu erfolgen hat. Die Stimme erscheint dabei als das ausgezeichnete Medium eines an der face-to-face-Kommunikation orientierten Wissensvermittlungsprozesses.

Im Rahmen dieses Prozesses – so die dritte Basisannahme – sind Dozentinnen und Dozenten mit der Autorität von omnikompetenten Wissensverwalterinnen und Wissensverwaltern ausgestattet. Sie spielen die Rolle lebender Lexika, die sprechen wie gedruckt und die für jede Frage und jeden Wissensbestand eine vorgegebene Schublade, eine verbindliche Definition und eine feststehende Bewertung zur Hand haben.

Die vierte Basisannahme ergibt sich aus den drei vorhergehenden. Sie bezieht sich auf die Struktur von Wissen selbst. Dieses wird unter den Bedingungen der traditionellen Lehr- und Lernkultur als ein Bestand von feststehenden Fakten verstanden, der in einem hierarchisch strukturierten Ordnungszusammenhang steht und exemplarisch durch die Institution des bibliothekarischen Katalogsystems repräsentiert wird.
Im darauf folgenden Text zeigt Mike Sandbothe, dass diese vier Basisannahmen im Zeit des Internets einfach kein Bestand haben. Kein Lehrer kann alles wissen, wenn er vorgibt, einen "omnikompetenten Wissensverwaltern" zu sein, wird er scheitern. Der Unterricht kann niemals (mehr) auf das Klassenzimmer begrenzt werden und von dem Realität und das Internet losgelöst werden - so wie es früher war.

Der Lehrer, der vorgibt fachlich alles zu wissen und dann diese vermeintliche Vorrangstellung mit formaler Authorität absichern will, der hat doch schon sein Zukunft hinter sich.

Statt wissen aus dem eigenen Bestand an (unwillige) Kinder zu vermitteln, muss der Lehrer auf dem Ebene der Kinder treten, er muss die Kinder an der Hand nehmen und dann muss er mit ihnen zusammen Wissen suchen und entdecken. Dazu braucht man aber nicht sehr viel fachliches Wissen.
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Liv uden Bevægelse kan være godt nok for gulerødder og kålhoveder, som ikke er bedre vant. - N.F.S.Grundtvig