An alle vor 1978 geborenen

Off-Topic-Plaudereien
Hina
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Re: An alle vor 1978 geborenen

Beitrag von Hina »

"Wenn du nach 1978 geboren wurdest,
hat das hier nichts mit dir zu tun...
Verschwinde... Kinder von heute werden in Watte gepackt
...

Unsere Generation hat eine Fülle von innovativen Problemlösern und Erfindern mit Risikobereitschaft hervorgebracht. Wir hatten Freiheit, Mißerfolg, Erfolg und Verantwortung. Mit alldem wußten wir umzugehen."



Als ich das das erste mal gelesen habe, musste ich auch drüber schmunzeln aber wenn man es dann das zwanzigste mal im Internet liest, denkt man nur noch

... Unsere Generation ist genau diese, die die Kinder angeblich dahin erzieht, dass sie nicht innovativ oder risikobereit sind, angeblich in Watte gepackt werden, angeblich keine Freiheit haben, weder mit Erfolg, Misserfolg oder Verantwortung umgehen können. Vielleicht sollten wir mal darüber nachdenken, warum wir unsere Kinder heute schon in der Familienplanung in dieser Weise designen und dann über alte Zeiten romantisch-verklärt sinnieren. Andererseits bin ich aber auch froh, dass an solche Märchen so ziemlich jede Generation geglaubt hat und die nachfolgenden Generationen dennoch beweisen konnten, dass sie es weiter bringen.

Nein, früher war vieles kein bisschen besser, es war wirklich nur anders.

Hilsen Hina
"Alle Menschen haben das gleiche Recht zu denken, aber die wenigsten machen Gebrauch davon.“ Curt Goetz
Tenda
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Beitrag von Tenda »

Ja, genauso ist es!

Man liest diese komischen Beiträge erstmal mit einem verklärt/verträumten Blick in die Vergangenheit.

In der Folge sollte man jedoch feststellen, dass sich die Generation der Kinder, die als Mutprobe noch Regenwürmer essen musste, heute auch größtenteils sehr gut an die neuen Anforderungen angepasst hat. Und sehr, sehr viel gelernt hat.

Was mir bei diesen „Früher war...“-Texten immer fehlt, ist das Vertrauen in die heranwachsende Generation. Sie braucht keine Lobhudelei an längst vergangene Zeiten. Sie braucht unseren Glauben daran, dass sie auch wieder Neues schaffen wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Und dazu sollten wir sie doch auch eigentlich erzogen haben und vor allem auch dazu ermuntern.

Gruß... Tenda
Hina
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Beitrag von Hina »

Hej Tenda,

das sollte man meinen, dass die so "starke" und "freie" Generation irgendwo auch dabei eine Portion Vertrauen gelernt hätte und Kinder nicht als Eigentum, sondern als eigenständige Persönlichkeiten, die je nach Alter auch eine gewisse Selbstständigkeit erlernen können und möchten, sehen. Aber manchmal habe ich da so meine Zweifel und extrem stark ist mir das immer in Deutschland aufgefallen.

Als unsere Tochter Mitte der 90er mit 14 Jahren in die 9. Klasse auf eine Efterskole nach Dänemark kam - wir hatten uns das mit ihr zusammen angeschaut und zusammen entschieden -, da bin ich so unglaublich viele Spiessruten bei meinen lieben deutschen ach so "starken" und "freien" Mitmenschen gelaufen, wie ich mir hätte niemals erträumen lassen. Ich kam mir vor wie eine Rabenmutter, die ihr Kind wie Hänsel und Gretel in den Wald geschickt hätte. Seit dem weiß ich, was ich von solchen verklärten Sprüchen zu halten habe.

Das Schlimmste war übrigens, dass diese Verachtung dieser meiner Mitmenschen, weil ich meinem Kind mit 14 Jahren erlaubt habe, eine neue Sprache zu lernen, sich selbst auszuprobieren und seine eigenen Erfahrungen machen zu dürfen, teilweise bis heute hinterher getragen wird. Andere bescheinigten mir allerdings Jahre später, dass das wohl einen sehr positiven Einfluss auf die Entwicklung unserer Tochter hatte. Und dann kam nicht selten die nächste für mich unverständliche Reaktion. Einige dieser Leute sagten mir, dass sie mich darum beneiden, dass wir das gemacht haben und sie würden es auch gerne machen, wenn ihr Kind in dem Alter ist. Ich kenne (bis auf einige ganz wenige hier im Forum) niemanden, der das dann auch wirklich gemacht hat. Eigenartigerweise ist das bei den Dänen eher fast eine Selbstverständlichkeit. Nicht ohne Grund gibt es ja hier auch so unzählige Efterskolen. Klar, kostet Geld aber unsere Tochter musste auf Markenklamotten, neuste Nintendo und Co., eigenen Fernseher, Videorecorder, PC verzichten, wir auf ein neues Auto und Fernreisen. Das war es uns aber alle male wert.

Sorry, aber das musste jetzt mal raus. Ich kann durchaus auch ab und an mal romantisch sein und meine Kindheit war bestimmt auch nicht schlecht aber ich möchte heute nicht Kind von damals sein, ich würde heute aber gerne Kind mit Eltern, die mir auch etwas zutrauen sein. Spannende Möglichkeiten, das zu leben, gibt es mehr als je zuvor.

Hilsen Hina
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Tenda
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Beitrag von Tenda »

Hej Hina,

also als eigenständige Persönlichkeit musste ich mich leider auch wirklich erst selbst wahrnehmen. In meiner Kindheit und im meinem damaligen Umfeld hat das niemanden interessiert.
Ich bin die erstem Jahre meines Lebens bei meinen Großeltern aufgewachsen. Die waren auch sicher ganz lieb. Aber gerade mein Großvater war noch arg vom Kriegsgeschehen geprägt. Und Fragen nach der eigenen Persönlichkeit waren eben noch längst nicht an der Tagesordnung.

Das hatte man sich schon hart zu erarbeiten.

Und deshalb finde ich es doppelt fies, wenn man Dich in Deiner damaligen Situation als „Rabenmutter“ bezeichnet hat.
Immerhin warst Du auch doppelt mutig, Dein Kind diesen Weg gehen zu lassen.
Und richtig war es nun auch noch, wie sich herausstellte. Oje!

Aus einem großen Teil dieser Gründe geht mir die Verklärung der Vergangenheit mit diesen „Würmer- essen- Texten“ einfach nur unglaublich auf die Nerven,

Gruß... Tenda
dennis3110

Beitrag von dennis3110 »

Hej an alle ,

nun muss ich mich als "junger Hüpfer" Jahrgang 1983 doch auch mal zu Wort melden.

Ob es damals besser oder schlechter war wurde hier ja schon ausreichend diskutiert und richtig festgestellt : es war anders.

Es gilt heute sowohl für Kinder aus auch für Eltern auf die Überflutung von Reizen zu reagieren.

Kinder von heute stehen unter enormen Leistungsdruck. Die Generation vor 1978 ist es jedoch größenteils die an sich und auch den Nachwuchs möglichst hohe Ziele richtet. Von der 1000 fach kontrollierten Schwangerschaft über den Wunschkaiserschnitt bis hin zum möglichst besten Gymnasium im Umkreis dreht sich das ganze. Besser , Schneller , weiter scheint bei vielen das Motto zu sein.

Ich kenne Vierjährige die verlassen um 7h00 mit dem Vater das Haus und kehren gegen 16h00 aus dem Hort zurück. Mutter ist zuhause währenddessen. Warum sollen kleine Kinder schon einen Tagesablauf haben wie erwachsene arbeitende Menschen? Samstag / Sonntag ist frei. Wow.

In der Schule geht der "Spaß" dann weiter mit den besten Klamotten und neuesten Smartphones. Wer keins hat rutscht ab zu den sozial schwachen , diese werden nie das beste Gymnaisum besuchen. Warum das so ist? Weil es so sein soll nach den Gedanken der viel viel besseren Mittelschicht. Sollte es doch so auf eine "bessere" Schule kommen braucht es eiserne Disziplin und ein dickes Fell für die Mitschüler.

Bei einigen sozial schwachen hat die Mutter meist für jede "hausfräuliche" Tätigkeite eine Ausrede im Ärmel. Um 12h00 ein "warmes Mittagessen" auf dem Tisch? Zuviel Arbeit. Hausaufgaben kontrollieren- keine Zeit Nagelstudio ruft. Mit den Kindern raus - zu kalt / windig/ nass/ warm.

Immer wieder frage ich mich , warum wir hierzulande über "warme Mittagessen" diskutieren müssen in der Politik. Ist das nicht Selbstverständlich?!

Nebenbei muss man seinem Nachwuchs einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien , Internet und Konsumverhalten erklären. Hier geht es nicht mehr ,wie zu meiner Zeit, um ein Ü-Ei an der Kasse sondern um wöchentlich neu erscheinende Zeitschriften mit prima gimmicks , Puppen und Playmobil Serien u.s.w.

Ich könnte noch einige Beispiele nennen denke aber was ich meine ist ausreichend beschrieben.

All dies gab es damals einfach nicht in der Form und darum ist es anders. Und eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft.

Liebe Grüße an alle

Dennis

(der mit sechs Geschwistern aufgewachsen ist und eine Schulbildung auf einem katholischen Gymnasium in Privater Trägerschaft erfahren hat-kostenlos 8) )
Johanna*
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Beitrag von Johanna* »

Dennis, "Daumen hoch" für diesen Beitrag :wink:

LG
Johanna (die 1978 selber schon Mutter war)
Tatzelwurm
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Beitrag von Tatzelwurm »

Amen

Mensch Denis,
mit 27 schon solche Meinungen.
Da merkt man die rheinisch/katholische Erziehung.
Da schlummert ja ein Ratzinger in dir.

Ein 68ziger wärst du wohl nie geworden
aber das gehört eben auch zu der Erfahrung der vor 1978 ziger.

Detlef
Schmeichler sind wie Katzen,
vorne lecken, hinten kratzen.

Wenn jeder Scheinheilige wie eine 60-Watt-Birne leuchten würde, könnte man nachts nicht mehr ohne Augenbinde schlafen.
Tenda
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Beitrag von Tenda »

Och Tatzelwurm,

nu is aber auch mal gut. Das Glück mit irgendeiner frühen Geburt ist mir ohnehin noch suspekt.

Und mit dem Kirchenkrams habe ich es ja nun auch nicht.

Aber Dennis hat nach meinem Empfinden Recht, wenn er den Stress beschreibt, dem der ach so geliebte Nachwuchs heute ausgesetzt ist.
Bleibt bloß die Erkenntnis, dass es früher auch nicht besser war. Nur anders – aber das machen wir hier ja bald schon zum Running-Gag.

Gruß... Tenda
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brave
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Beitrag von brave »

skandinavian-wolf hat geschrieben:Ich denke, dass Ganze sollte hinter jeder Zeile drei Grinsesmileys haben. So habe ich es zumindest verstanden, als ich das vor ca 2 Jahren zum ersten Mal gelesen habe.
Oder brave?
[/img][/URL]
jupp ganz genauso wie du es siehst-so war es gemeint :D


Seid lieb gegrüßt...
Iris & Rasselbande

Manchmal ist das schwierigste nicht das Loslassen,
sondern zu lernen, von vorn anzufangen
N.Sobon
dennis3110

Beitrag von dennis3110 »

Hej ,

@ Johanna , danke dir das freut mich:)

@ Tatzelwurm,

eine Rheinisch / katholische Erziehung kann ich aus zwei Gründen schon gar nicht haben:

1. Meine Mutter ist norwegischer Abstammung.

2. Laut meiner Taufurkunde bin ich Ev. Luth. Glaubens:)

Somit fällt der Ratzinger unter den Tisch :P

Es ging in meinem ursprünglichen Beitrag auch lediglich darum , dass eine Erziehung vom Nachwuchs hin zu selbstbewussten Menschen in späteren Jahren einige mehr Herausforderungen mit sich bringt je mehr Reize und Leistungsziele vorhanden sind.

Und das es Mütter und Väter gibt die nichtmal ein Mittagessen auf den Tisch bringen ja doch das finde ich eine Schande.

OT:

Und wohin der ganze "Spaß" später führt kann man jedes Wochenende in den U Bahnen der Grossstädte miterleben. Dort wird dann der ganze Frust an Unbeteiligten Dritten rausgelassen. In meiner Denkweise ist aber ein Kind nicht von Natur aus gut oder schlecht. Ein Grund mehr selber nen Gang runterzuschalten und die Zeit in Aktivitäten mit dem Nachwuchs zu investieren.

Dementsprechend finde ich meine Meinungen mit 27 weder religiös noch konservativ.

Einen sonnigen Sonntag an alle

Dennis