Bei den Abschüssen geht es doch nur um die Herstellung einer
gefühlten Sicherheit.
Wer sich morgens beim Gang zur Weide sorgen müsse, ob das Pony der Tochter noch lebe, argumentiert Minister Lies, dessen Meinung zum Wolf wiege jedoch schwerer als die eines "Städters aus dem fünften Stock."
Quelle: DER SPIEGEL, Print-Ausgabe Nr. 5 / 26.01.2019, Julia Koch: Wolfswut, Seite 104
Mal davon abgesehen, dass wir bislang
immer in Sorge um unsere Ponys gewesen sind, weil wir zu häufig erlebt haben, dass böswillig das Tor geöffnet wurde, dass leere Alkoholflaschen, Sex-Spielzeug, Klopapierrollen, abgekipptes Laub und Küchenabfälle zwischen unseren Ponys auf der Koppel entsorgt wurden, die Ponys schon mit Drohnen gejagt worden sind und bei Bekannten ein Heißluftballon gelandet ist, was den Ausbruch der Pferde zur Folge hatte - und in zwei Jahrzehnten nicht eine einzige Drückjagd bei uns im Vorfeld angezeigt wurde - lässt sich das "Pony der Tochter" vor dem Wolf vergleichsweise gut schützen, indem man den vorhandenen Zaun mit lediglich 2 Litzen nachrüstet.
Der Wolf öffnet keine Tore, kann das Stromgerät nicht bedienen, fliegt keine Drohnen oder Heißluftballons, vergeht sich nicht an Equiden und entsorgt keine giftigen oder vergorenen Essensreste auf der Koppel.
Und wer schützt eigentlich das "Pony der Tochter" vor den Jägern?
22.11.2009:
Jäger erschießt irrtümlich zwei Rinder (Breckerfeld), Westfalenpost
19.12.2016:
Pferd bei Jagd getötet (Landkreis Oder-Spree), moz.de
20.11.2017:
Hund Ole auf Ausritt mit Kindern erschossen (Landkreis Diepholz), Kreiszeitung
29.08.2012: J
äger erschießen Pony statt Wildschwein (Brandenburg) haz, de
17.10.2012:
Jäger erschießt aus Versehen Pferd auf der Koppel (Koblenz), saarbruecker-zeitung.de
24.01.2014:
Verwechslung: Jäger erschießt Pony (Herzogtum Lauenburg), shz.de
06.08.2014:
Jäger erschießt aus Versehen Pferd (Waldshut), badische-zeitung.de
01.04.2017:
Jäger erschießt versehentlich eine Kuh (Bielefeld), lz.de
21.09.2017:
Jäger erschießt 4 Esel - mit "Hirschkühen" verwechselt, hna.de
02.10.2017:
Jäger erschießt Pferd statt Wildschwein (Walsrode) ndr.de
01.12.2017:
Jungbulle bei Jagd von Jäger erschossen (Saaleorla-Kreis), Thüringische Landeszeitung
02.01.2018:
Verwechslung: Jäger im Thurgau erschießen 4 Schafe
05.01.2018:
Wenn der Jäger die Kuh für eine Wildsau hält - 2 Kühe tot (Bayern), Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt
20.06.2018:
Islandhengst starb an Kugeln aus Jagdgewehr - Pferd auf der Weide erschossen, Siegener Zeitung
30.04.2018:
Pony bei Drückjagd Auge ausgeschossen (Niedersachsen), ndr.de
Selbst Minister bedienen sich der populistischen Argumentation, dass angeblich nur "Städter im fünften Stock" ein Interesse am Artenschutz hätten.
Menschen wie wir mit Pferdehaltung auf dem Land, die den Wolf als Bereicherung empfinden, existieren weder für die Politik noch für die Medien. Nur, wer am lautesten schreit und am meisten polemisiert, wird von Politik und Medien noch wahrgenommen. Die Gefälligkeit, mit denen inzwischen jede Partei die Tierausnutzer- und Jagdlobby bedient, halten wir für bedenklich und der Demokratie nicht zuträglich. Es erscheint mittlerweile beliebig, welcher Partei man seine Stimme gibt, wenn am Ende immer dieselben Lobbyisten die politischen Entscheidungen bestimmen.
Wenn sich nicht einmal mehr Minister und Ministerien an Bundesgesetze und europäische Verordnungen gebunden fühlen und sich in Form von eigenmächtigen Entscheidungen einer "Bund-Länder-Gruppe" über das Gesetz stellen, ist das ein fatales Signal an alle gesetzestreuen Bürger.
Die ehemalige Vorsitzende Richterin vom Bayerischen Obersten Landesgericht, Almuth Hirth, sieht in den aktuellen Abschussentscheidungen keine Gesetzeskonformität:
Auch im aktuellen Fall in Schleswig-Holstein sieht Hirth keine Rechtsgrundlage: Durch die Risse einzelner Tiere entstünden "für die Schäfer keine erheblichen wirtschaftlichen Schäden, wie sie das Gesetz verlangt, da sie nicht existenzbedrohend sind".
Quelle: DER SPIEGEL, Print-Ausgabe Nr. 5 / 26.01.2019, Julia Koch: Wolfswut, Seite 104
Das Bundesnaturschutzgesetz sieht zu den Ausnahmen des strengen Schutzes vor:
§ 45 Abs. 7 BNatSchG:
(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen
1. zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden [...]
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält.
Artikel 16 Abs. 1 Buchstabe b Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen
(1) Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, daß die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:
b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;
Weil die möglichen und als empfohlen geltenden Herdenschutzmaßnahmen ("zumutbare Alternativen", "anderweitige zufriedenstellende Lösung") überhaupt noch nicht ausgeschöpft sind, wird der voreilige Abschuss in Niedersachsen und Schleswig-Holstein von Juristen und Verbänden als rechtwidrig angesehen.