FeliceChiara hat geschrieben:Im 1. Quartal 2011 befanden sich zwei Länder in der Rezession: Portugal (-0.5% BIP-Rückgang) und …Dänemark!!!! (-0.5% BIP-Rückgang)
Dafür gibt es aber eine ganz einfache Erklärung. Es war ja der Anfang eines neues Finanzjahres. Staat und Gemeinden haben einen neuen Etat begonnen und hier gab es deutliche Einsparungen. Das war notwendig, um die Mastricht-Kriterien wieder einzuhalten und auf längere Sicht ist es sehr sinnvoll, weil man dadurch Ressourcen frei setzt, die dringend im privaten Sektor benötigt werden.
Das Problem ist, dass BIP allein nicht besonders genau ist. Wenn z.B. die öffentlich Angestellte eine besonders große Gehaltserhöhung bekommen, dann steigt die BIP. Aber das sagt ja nichts darüber, wie Gesund die Wirtschaft ist.
FeliceChiara hat geschrieben:Und obwohl die dänischen Staatsfinanzen recht solide sind (nur 40% Verschuldung versus BIP), sind die privaten Haushalte im europäischen Vergleich hoch verschuldet (300% des BIPs; Deutschland 200%, Portugal 238%). Den Schulden stehen natürlich (meistens illiquide) Assets gegenüber.
Das ist kein finanzielles Problem, sondern ein kulturelles. Die "Experten", die diese Aufstellung gemacht haben, verstehen einfach nicht, wie das hier eingerichtet ist.
Der weitaus größte teil dieser Schulden sind ja Kredite, die aufgenommen wurden, um Häuser zu kaufen. Das sind somit Bruttobeträge, die keine reale Bedeutung haben.
Das Problem ist Dein Klammer "(meistens illiquide)". Das wurde in den USA ein Problem, weil plötzlich viele Menschen arbeitslos wurden und ganz schnell verkaufen mussten. Das kann man aber nicht auf DK übertragen, weil DK ein Sozialstaat ist. Man geht nicht in den finanziellen Ruin, nur weil man arbeitslos oder krank wird. Deshalb müssen die Assets als liquide gerechnet werden, selbst wenn es ein Jahr dauert, das Haus zu verkaufen. Im Gegensatz zu den Amerikanern können die Dänen nämlich so lange warten.
Dazu kommt etwas anderes, was hier auch nicht berücksichtigt wird. In den letzten 30 Jahren wurde ein Kapitalbaziertes Rentensystem aufgebaut. Z.B. in APT liegen inzwischen immense Vermögen. Die müssen ja irgendwo (langfristig) investiert werden und sie liegen zum großen Teil in diese Häuser-Kredite. Die gehören aber letztendlich auch den Häuser-Besitzern (in Form von Rentenansprüche). Die müssten also eigentlich auch mitberechnet werden.
FeliceChiara hat geschrieben:Unter anderem auch Ferienhäuser und deren Einrichtung, die wohl mit den geplanten Grenzkontrollen geschützt werden sollen.
Das mit den Grenzkontrollen ist Blödsinn, das hat mit der Sache absolut nichts zu tun.
Und den Ferienhäusern spielen hier keine große Rolle. Erstens gibt es relativ wenige davon und zweitens kauft man erst ein Sommerhaus, wenn man sich das leisten kann.
FeliceChiara hat geschrieben:Das Problem ist nur, dass sich die Immobilienpreise nach der Einschätzung der Experten eher auf ihrem Peak befinden, mit einer eher wahrscheinlichen fallenden Tendenz als einer steigenden.
Es stehen aktuell mehr Häuser zum Verkauf als in der Krise! Da die Kreditvergabe in Dänemark stagniert, kann der Angebotüberschuss nicht absorbiert werden. Es wird ein Vergleich mit Schweden abgebildet: in Dänemark werden 3-mal so viele Häuser zum Verkauf angeboten als in Schweden. Aber Schweden ist nach der Bevölkerungszahl doppelt so groß wie Dänemark und hat eine expandierende Kreditvergabe (+6%). Wer soll denn die Häuser abkaufen, wenn nicht Ausländer, wenn Dänen möchten, dass ihre Immobilien nicht an Wert verlieren?
Wieder solche "Experten". Die Preisentwicklung ist von ein Teil des Landes zum anderen sehr unterschiedlich. Und was die Zukunft bringt, ist natürlich immer schwer zu sagen (die selben "Experten" waren ja unheimlich gut damals als es darum ging die Finanzkrise vorauszusagen, oder?). Die Entwicklung der Preise seit 1992, kannst Du aber hier sehen:
http://www.realkreditraadet.dk/Statistikker/Generel_statistik/Prisudvikling_for_ejerboliger.aspx
Für Einfamilienhäuser lag die Spitze also Mitte 2007. Damals war der Wert 2,8 Mal so hoch wie 1992. Dann fielen die Preise bis Anfang 2009. Damals waren die preise "nur" 2,4 mal so hoch wie 1992 bzw. sie hatten dem gleichen Stand wie Ende 2005. Aber der Tendenz ist jetzt wieder schwach steigend.
Der Angebot ist im Moment sehr groß. Das ist aber eigentlich ein gutes Zeichen. Als Mitte 2008 die Preise runter fielen, haben viele potentielle Verkäufer sich zurück gezogen (weil man eben im Gegensatz zur USA meistens warten kann). Man hat vielleicht kurzfristig die Häuser vermietet (befristet für 1 bis 2 Jahre). Jetzt wo der Markt wieder langsam anläuft, kommen diese Verkäufer zurück, und die Verkaufszahlen steigen. Daran ist aber nichts schlimmes.
Und Ausländer können ja durchaus auch Häuser kaufen.
FeliceChiara hat geschrieben:Die Touristikverbände in Dänemark beschweren sich, dass viele Urlauber ihre Dänemark-Reise aus politischen Gründen stornieren. Natürlich, wer will schon den gesamten Kofferraum auf der Autobahn entleeren.
Ja, das hat aber mit Finanzen wieder nix zu tun.
FeliceChiara hat geschrieben:Wenn ausländische Urlauber auch nur teils wegfallen, wie wird dann Dänemark’s BIP-Entwicklung aussehen?
Kaum etwas. Wir haben das ja schon öfters besprochen. Die Touristik-Industrie bedeutet für die Gesamtwirtschaft in DK sehr wenig (1 bis 2 Prozent). Ein einzelne Firma wie Vestas bedeutet mehr als alle deutsche Touristen.
Wirtschaftlich könnte der deutsche Atomausstieg somit viel mehr bedeuten.