Überall "Til salg" in Dänemark?

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kloetze

Überall "Til salg" in Dänemark?

Beitrag von kloetze »

Hallo,
bei unseren Reisen durch Dänemark sind uns immer wieder die vielen "Til Salg"-Schilder an den Höfen und Häusern aufgefallen. Woher kommt das? Liegt es daran, daß die Dänen oft ihren Arbeitsplatz wechseln und in andere Gegenden ziehen oder ist es eine Sache des Geldes? So ein haus aufzugeben ist doch eigentlich nicht so leicht.
Gruß Klötze
Zuletzt geändert von kloetze am 04.08.2003, 09:08, insgesamt 1-mal geändert.
MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Die wirtschaftliche Lage des Besitzers kann natürlich eine Rolle spielen, aber in Zeiten niedriger Zinsen und niedriger Arbeitslosigkeit dürfte das eher untergeordnet sein. Allerdings sind die geografischen Zumutungen an Arbeitslose höher als in D (noch).

Die Ursachen dürften aber eher darin liegen, dass
- der Mietwohnungsmarkt in DK so schlecht funktioniert, dass man auch mittelfristig zum Eigentum gedrängt wird,
- dafür die Kosten des Wohnungshandels in DK niedriger sind (wesentlich niedrigere Grunderwerbssteuer (stempelafgift), andere Haftungs-/ Gewährleistungslösungen),
- der dänische Wohnungsmarkt abgemattet ist und gerade auf dem Land längere Zeit vergeht, bis angebotene Immobilien verkauft werden und
- Dänen offenbar weniger Angst vor Einbrechern haben und deshalb oft Schilder aufstellen lassen.

Ich habe generell den Eindruck, dass sich Dänen bei Immobilienfragen stärker von ökonomischen Fragen leiten lassen, als von emotionalen, verglichen mit D. Z.B. scheinen dänische 45jährige+, deren Kinder ausgezogen sind, sehr viel eher bereit zu sein, ihr Haus mit Garten gegen eine Wohnung in der Stadt zu tauschen.
Zuletzt geändert von MichaelD am 04.08.2003, 12:04, insgesamt 1-mal geändert.
Grüsse
Michael
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ich bin nicht ganz einig. Ich finde nicht, daß der Mietwohnungsmarkt in DK schlecht funktioniert. In den letzten 10-12 Jahren wurde Kopenhagen allerdings von der frühere Regierung mit Investitionen (Verkehr, Bildung, Kultur etc.) extrem bevorzugt. Das hat zu einer Überhitzung des dortigen Wohnungsmarkt geführt. Die Preise sind extrem gestiegen und es ist heute dehalb sehr schwierig eine Mietswohnung zu finden.

Ein Grund ist auch, daß die Örtlichen Behörden in Kopenhagen sich geweigert haben, die Preisbindungen für Mietswohnungen (aus den 30'er Jahren) aufzuheben. Dadurch sind viele große Wohnungen von Rentnern blokiert, die dort viele Jahre gewohnt haben und sich jetzt nicht leisten kann in eine kleinere Wohnung umzuziehen.

Das gilt aber alles nur für Kopenhagen, und hat vor allem mit fehlgeschlagene Regionalpolitik zu tun. Im übrigen Land kann man aber durchaus eine Mietwohnung finden.

Allerdings wohnen etwa 2/3 aller Dänen im Eigenheim oder Eigentumswohnung. Dieser Anteil ist viel höher als in Deutschland. Nach meiner Meinung ist es vor allem eine Frage der Einstellung.

Erstens hatten wir in den 50'er, 60'er und 70'er etwas mehr Inflation als Deutschland (6-10% im Jahr). Dadurch haben die Dänen gelernt, daß Eigentum auf Dauer günstiger als Mieten ist - weil man gleichzeitig eine Wertfeste Ersparnis hat.

Zweitens ist ein Eigenheim in Deutschland nicht nur ein Ort zum wohnen. Es ist auch ein einmaliges Statussymbol. Man spricht ja nicht ohne Grund von "einmal im Leben". Aus diesem Grund müssen Eigenheime in Deutschland perfekt sein (man bekommt ja keine zweite Gelegenheit), und dadurch sind Eigenheime in Deutschland oft total überteuert.

In DK ist dies anders. Man kauft ein Haus, weil man darin wohnen will - nicht mehr nicht weniger. Wenn man wegen neuer Arbeitsplaz umziehen muß, oder wenn man weniger Platz braucht, weil die Kinder ausziehen, dann wird das Haus einfach verkauft und ein anderes gekauft.
Zuletzt geändert von Lars J. Helbo am 04.08.2003, 14:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Henning

Beitrag von Henning »

Vielleicht noch als Ergänzung: Die Hauspreise sind in Kopenhagen und anderen Städten z.Zt. so hoch, dass man allgemein annimmt, dass in absehbarer Zeit die Preise kaum (real)steigen werden. Wer also sein Haus verkaufen will, um ins Ausland, in eine Mietwohnung, aufs Land oder mit seinem Partner zusammen zu ziehen, der tut dies jetzt. Man braucht jedenfalls nicht auf einen besseren Verkaufszeitpunkt zu spekulieren. Das Angebot ist u.a. daher z.Zt. grösser als die Nachfrage.

Ich stimme ljhelbo zu. Mein Eindruck ist auch, dass man sich in DK mehr an den wechselnden Bedarf in seinem Leben anpasst: In jungen Jahren will man vielleicht am liebsten in einer Wohnung in der Stadt wohnen, wenn dann Kinder kommen, zieht man in ein Haus mit Garten, wenn mehr Kinder kommen, zieht man in ein grösseres Haus, wenn die Kinder erwachsen und ausgezogen sind, zieht man in ein kleineres Haus oder oftmals wieder in eine Wohnung (weil das Geld fehlt, oder die Lust auf Gartenarbeit auf dem Nullpunkt ist, usw.). Nicht zu vergessen, die hohe Scheidungsrate. Viele Häuser werden angeboten, weil sich Paare trennen und keiner sich das Haus alleine leisten kann.
Zuletzt geändert von Henning am 04.08.2003, 15:25, insgesamt 1-mal geändert.
maybritt h
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Beitrag von maybritt h »

Hej!
@ljhelbo: Da kann ich nur zustimmen!
Meine Erfahrung (aus Baufirmen) mit dem Hausbau in Deutschland, deckt sich mit dem was du schreibst. Ein Haus wird <b>fürs Leben </b>gekauf und gebaut. Es ist natürlich auch ein Statussymbol für die meisten.
Viele sehen jetzt jedoch auch ein, dass sie „mehr“ davon haben ein Haus zu kaufen als ein Leben lang Miete zu zahlen.

Maybritt
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Zuletzt geändert von maybritt h am 04.08.2003, 16:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Lutzinger

Beitrag von Lutzinger »

Komischerweise stehen aber oft ältere und eher alleinstehende Gehöfte z.B. an der Landstraße zum Verkauf. Ich habe mich auch oft gefragt, wer da hinzieht. Es ist ja oft rein gar nichts in der Nähe. Kein Laden, keine Nachbarn, keine Arbeit, kein anderes Bier. Oder ist das die Mentalität der Dänen? Wohnen die lieber irgendwo allein für sich. Oder sind solche Objecte einfach so günstig zu kaufen, daß man die Abgelegenheit "in Kauf" nimmt?

Lutzinger
Zuletzt geändert von Lutzinger am 04.08.2003, 20:17, insgesamt 1-mal geändert.
tvos

Beitrag von tvos »

Ich denke, das hat eher mit der "Landflucht" zu tun, die man allerorten beobachten kann, insbesondere in den dünn besiedelten Gebieten, zu denen ja meistens auch die Gebiete zählen, in denen sich Touristen rumtreiben. Ich denke, das dies ein weiterer Grund für die vielen Angebote ist, obwohl die Ursache eine andere ist.

Gruß Tim
Zuletzt geändert von tvos am 05.08.2003, 09:42, insgesamt 1-mal geändert.
Bernd

Beitrag von Bernd »

In Dänemark ist es ganz normal, das eine Immobilie, die zum Verkauf steht, durch ein Schild oder Plakat gekennzeichnet wird. Würde man das in gleicher Weise in Deutschland machen, dann wäre der Unterschied möglicherweise nicht zu erkennen?
Zuletzt geändert von Bernd am 05.08.2003, 12:12, insgesamt 1-mal geändert.
MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Nein, Bernd, wenn man die Maklerdichte, die Angebote der Makler oder die Zahl der Verkaufsannoncen in Zeitungen vergleicht, ist der dänische Markt gebrauchter Immobilien relativ grösser als in D. Deshalb können die Unterschiede bezüglich des Aufhängens von Schildern nur einen minderen Teil erklären.

Ansonsten gebe ich den verschiedenen Beiträgen recht. Was den Mietwohnungsmarkt angeht, ist mein Bild tatsächlich überwiegend vom Raum Kopenhagen geprägt. Hier gibt es enorme Verfügungsprobleme, besonders bei Wohnungen mit mehr als zwei Zimmern.

Allerdings sind auch Preise ein Indikator für funktionierende Märkte. Ich habe den Verdacht, und kenne ein Beispiel aus dem Umland von Århus, dass auch auf dem Land die (Kalt-)Mietpreise die laufenden Zins-, Tilgungs- und Reparationskosten von Eigentum übertreffen, d.h. der Vermieter steckt eine Marge und die längerfristigen Wertsteigerungen 100% in die eigene Tasche, anstatt sie teilweise mit der Miethöhe verrechnen zu müssen, um konkurrenztüchtig zu sein.

Auch in DK gibt es natürlich Ausnahmen mit billigen Mieten, nämlich ehemaligen Einliegerwohnungen ausgezogener Kinder usw., oder aber Immobilien in Landfluchtgebieten.

Es gibt noch einen anderen Typ Gründe für den regen Eigentumshandel in DK, der noch nicht genügend beleuchtet wurde: Steuern.
- Die Erbschaftssteuer in DK ist in deutschen Augen hoch und operiert mit sehr niedrigen, jährlichen Freibeträgen, während die Regierung Kohl ja Beträge entsprechend "Omas Häuschen", wie es damals emotionalisierend und in Wirklichkeit untertreibend hiess, steuerfrei werden liess. Die deutschen Freibeträge beziehen sich traditionell auf einen 10-Jahreszeitraum, was natürlich auch in sich eine dramatische Entlastung darstellt. Erben müssen daher in D nicht notwendigerweise verkaufen.
- Weiterhin zu erwähnen sind die ohnegleichen niedrigen Grundsteuern in D - sie stellen anders als in DK keinen Anreiz zum Tausch gegen kleinere Immobilien dar.
Zuletzt geändert von MichaelD am 08.08.2003, 12:05, insgesamt 1-mal geändert.
Grüsse
Michael
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

@MichaelD

Du schreibst: Erben müssen daher in D nicht notwendigerweise verkaufen.

Ich denke hier ist genau der Mentalitätsunterschied. Meine erste Gedanke war nämlich: Ja, aber warum sollten die Erben _nicht_ verkaufen? Wenn die Eltern sterben, sind sie ja normalerweise mindestens in den 70'ern. Die Kinder sind somit Mitte 40 bis Mitte 50. Sie besitzen also seid 20 Jahren ihre eigene Häuser. Warum sollten sie dann plötzlich diese Verkaufen um ins Elternhaus zurückziehen? Ein Haus das vermutlich gar nicht ihre Bedürfnissen gerecht ist (Falsche Ort, Altmodische Badezimmer und Küche etc.).

Außerdem ist die Erbschaftssteuer gar nicht so extrem. In direkter Linie (an Kinder und Enkelkinder), gibt es ein Freibetrag von rund 200.000 Kr. Von dem was darüber hinausgeht, zahlt man 15%. Das kann man mit einem Zusatskredit immer begleichen.
Zuletzt geändert von Lars J. Helbo am 08.08.2003, 21:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Timo

Beitrag von Timo »

Hallo!

Also auf Samsø z.B. ist es auch so, dass an fast jedem 2ten Haus til salg steht. -Meist Bauernhäuser. Die Insel wird, was die Landwirtschaft angeht nurnoch von 3 Bauern "bewirtschaftet", weil die Menschen einfach kein geld mehr haben. Hab letzte woche als ich da war mit jemandem drüber geredet, der da schon länger wohnt.

Grüße,
Timo
Zuletzt geändert von Timo am 11.08.2003, 23:02, insgesamt 1-mal geändert.
MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Zum Vergleich die deutsche Erbschaftssteuer:

Freibetrag für Ehegatten 2,2 mio. kr., für Kinder je 1,5 mkr. Dazu ein Versorgungsfreibetrag für Ehegatten von ca. 1,8 mio. kr., für Kinder bis zu je 400 tus. kr. Dazu diverse "kleinere" Freibeträge (sowie saftige Freibeträge und Bewertungsvorteile für Betriebsvermögen).

Immobilien werden generell typisch mit ca. 50% des Handelswertes bewertet.

Für Beträge darüber bezahlt der Erbe 7% Steuer die ersten knapp 400.000 kr., was dann gestaffelt auf bis zu 30% steigt - wenn er das Problem hat, mehr als 200 mio. kr. zu erben.

Ich schreibe das nur zur Orientierung. Persönlich halte ich diese niedrige Besteuerung für skandalös angesichts der Finanzprobleme Deutschlands und der problematisch hohen (und ungerechten) Sozialabgabenbelastung.
Grüsse
Michael
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