Deutschunterricht in Dänemark

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Leila86
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Deutschunterricht in Dänemark

Beitrag von Leila86 »

Hi Leute!

Ich bin neu in diesem Forum und stelle mich mal kurz vor: Ich bin 23 Jahre alt und habe gerade mein Lehramtsstudium beendet. Jetzt gehe ich von Januar bis Juni 2010 an eine dänische Schule und werde dort deutsch unterrichten.
Daher wollte ich mal fragen, ob es hier jemandem im Forum gibt, der vielleicht schonmal an einer dänischen Schule unterrichtet hat und mir etwas über die Schulen berichten kann.
Vielleicht kennt ja jemand auch gute Bücher für den Deutschunterricht, Sprachspiele, etc.
Ich bin schon echt gespannt, was mich in Dänemark erwarten wird! :-)

Viele Grüße
Leila
MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Hallo Leila

Ich nehme an, du sprichst vom Unterricht in der Folkeskole. Das wird zweifellos eine interessante Erfahrung für dich. Gute Arbeitsbedingungen in Bezug auf Stundenzahl, Leitung und Umgangston im Kollegium, andrerseits fachliche Frustrationen und harte, vulgäre Sprache von Schülern.

Du solltest dich darauf einstellen, dass die ganz grosse Herausforderung die Motivation der Schüler wird.

Wenn du Klassen von anderen "Deutschlehrern" übernimmst, musst du dich auf schlechte Erfahrungen der Schüler einstellen. Der meiste Deutschunterricht an dänischen Schülen wird statistisch von Lehrern gegeben, die keine Fachkompetenzen in Deutsch haben.

Dazu kommt, dass die vorhandenen Unterrichtsmaterialien wahrscheinlich hoffnungslos veraltet sind.

Gruss Michael, dessen Frau Deutsch unterrichtet hat

P.S. Ich hoffe für dich, dass du nicht Stunden, Korrekturen usw. abrechnen musst.
Leila86
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Beitrag von Leila86 »

Hallo Michael!

Meinst du den Unterricht in der Volksschule? Ich glaub, es ist eine... :roll:

Also ich arbeite dort als Assitenzlehrer, das heißt ich werde wohl den Deutschlehrer (in diesem Fall die Deutschlehrerin) beim Unterricht unterstützen. Sie ist gerade erst mit der Ausbildung fertig und auch erst 25.

Das mit der Motivation hab ich auch schon gehört. Ich hätte nicht gedacht, dass deutsch bei den Schülern so unbeliebt ist bzw. das alles so veraltet ist.

Wo hat denn deine Frau unterrichtet bzw. für wie lange? Konnte/Kann sie gut dänisch? Ich kanns noch gar nicht, aber ich werde im Oktober einen Sprachkurs beginnen. Aber das war bei dem Projekt auch nicht Voraussetzung...

Viele Grüße
Leila
MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Du musst schon selber herausfinden, um was für eine Schule es sich handelt, d.h. was für Schüler du unterrichten wirst.

Der Deutschunterricht an der Folkeskole kämpft mit vielen Problemen, über die du hier im Forum einiges lesen kannst, wenn du recherchierst.
Zu den Ursachen der Probleme gehören:
- Die Kinder sind ca. 14 Jahre alt, wenn sie mit ihrer zweiten Fremdsprache beginnen, und in dem Alter haben sie ganz andere Interessen.
- Wozu Deutsch lernen, wenn man sich in deutschsprachigen Ländern und auch in Mittelosteuropa auch mit Englisch durchschlagen kann.
- Deutsch ist für übergeordnete Leistungsbeurteilungen der Schüler, darunter dem Abschlussexamen, und den weiteren Ausbildungsgang von nahezu keiner Bedeutung.
- Auch an Universitäten wird keine deutsche Literatur (ausser im Fach Deutsch) mehr empfohlen, da es kaum noch Studenten gibt, die hinreichend deutsch verstehen. Im Fernsehen werden keine deutschsprachigen Filme gezeigt, im Radio keine deutschsprachigen Lieder gespielt. (Ich halte dies für Politik.) Die deutsche Jugendkultur ist unbekannt und daher als Referenz für Partygespräche u.ä. ausgeschlossen. In Bibliotheken werden keine deutschsprachigen Bücher mehr beschafft, ausser allenfalls das letzte von Günter Grass. Dies sind nur Beispiele dafür, dass die deutsche Sprache nahezu keine Rolle in der Kommunikation oder Bildung von Dänen mehr spielt.
- Lehrer an der Folkeskole haben wie geschrieben viel zu oft keine relevante Kompetenz oder sind oft älter, sauertöpfisch und verbissen; letzteres ist jedenfalls ein gängiges Vorurteil. Unterrichtsmittel sind veraltet und die Anweisungen des Bildungsministeriums zum Unterricht direkt frustrationsfördernd.
- Der Unterricht in deutscher Sprache kämpft immer noch etwas mit dem Bild des hässlichen Deutschen, dass in Teilen der Grossvätergeneration noch immer herrscht, und dass es Jüngeren erlaubte, mit Sarkasmus und Unterstellungen alles Deutsche zu diskreditieren und dadurch vom peinlichen Halb- und Viertelwissen abzulenken. Man muss nichts über Deutschland wissen, geschweige denn Deutsch können, um lautstark mitwitzeln zu konnen. Im Gegenteil kann man sich eher selber zum Gespött machen, wenn man das Fach ernst nimmt.

So sieht die Perspektive für viele Schüler leider aus. Viele Schüler wollen zwar gerne nach Berlin, aber dazu braucht man auch nicht viel Deutsch.

Gruss Michael
hettibert
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Beitrag von hettibert »

Hi, bei uns hier ist jetzt auch eine junge Deutsche, die hier unterrichtet, sie hat NUR positive Erfahrungen, bis jetzt :D . Aber die Schule ist auch gut.
Ich wünsche Dir viel Erfolg.
Gruß hetti
Fischgrete
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Beitrag von Fischgrete »

MichaelD hat geschrieben: Im Fernsehen werden keine deutschsprachigen Filme gezeigt, im Radio keine deutschsprachigen Lieder gespielt. (Ich halte dies für Politik.)
Bestimmt. Alles böser Wille.
Während es im Gegenzug ja in den deutschen Medien von dänisch-sprachigen Filmen und dänischer Musik nur so wimmelt...

Es muß nicht immer alles Politik sein. Schlichtes Desinteresse tut den Job häufig auch. :wink:
runesfar

Beitrag von runesfar »

MichaelD hat geschrieben: Im Fernsehen werden keine deutschsprachigen Filme gezeigt, im Radio keine deutschsprachigen Lieder gespielt. (Ich halte dies für Politik.)
Politik - nein. Aber DR und TV2 kaufen "film-pakete" von die Amis. Wenn sie z.b. gerne "Shakespeare in Love" zeigen wollen, müssen sie auch eine menge andre Filme kaufen. Das ist auch der Grund warum es z.b. so wenige Indische, Chinesische und Spanish-sprachige Filme gezeigt werden.
Leila86
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Beitrag von Leila86 »

Naja, hört sich ja alles nicht so toll an. Obwohl es an den Schulen bestimmt Unterschiede gibt. Ist ja in Deutschland auch so. Ich bin jedenfalls gespannt und freu mich drauf ;-)

Im Oktober fahre ich bereits einige Tage hin, um die Schule, die Schüler und die Lehrer kennenzulernen. Ich denke, nach meinem ersten Eindruck kann man dann schon mehr sagen.
windtänzerin
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Beitrag von windtänzerin »

Hej Leila,

wo wirst Du denn unterrichten?

Sonnige Grüße,
Katharina
Leila86
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Beitrag von Leila86 »

In einer Schule in Brabrand...in der Nähe von Aarhus....warum? :D
runesfar

Beitrag von runesfar »

Laila - bist du Araber? Brabrand ist eine absolute "problemkiez" - um es nett zu sagen. (Habe mal selber dort gearbeitet).
Liserl

Beitrag von Liserl »

Ich unterrichte seit einem Jahr Deutsch (und Englisch, Religion und Handarbeiten) in einer dänischen Folkeskole. Ausbildungsmässig hab ich einen Magister mit Lehramt in Deutsch und Englisch von der Uni Wien.

Es stimmt, dass die Schüler nicht besonders motiviert sind. Deutsch wird hier oft so wie zu meiner Schulzeit in Österreich Latein unterrichtet, also Grammatik und Übersetzen. Auch die Materialien, die ich in an meiner Schule zu Verfügung habe, sind meiner Ansicht nach - fast - unbrauchbar. Heuer arbeite ich ohne Buch mit meiner neunten Klasse.

Andererseits habe ich fast nur positive Erfahrungen mit meinem Muttersprachlerstatus gemacht. Als wir über das ewige "Kan du ikke sige det på dansk, jeg fatter ikke en skid" hinaus waren, haben meine Schüler es sehr geschätzt, dass ich Deutsch eben so spreche, wie sie dänisch. Das war auch eine der Rückmeldungen, die ich am Ende des Schuljahrs bekommen habe (und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Verdens bedste lærer" - also gehts doch die Kinder auch als Deutschlehrer zu erreichen ;-))

Manchmal find ich meinen Job frustrierend, weil mich so viele mit dem "faden Aug" (wie man in Wien so schön sagt) anschauen, aber immer wieder schaff ich es doch meine Schüler zu motivieren (z.B. jetzt gerade mit einem Unterrichtsverlauf, in dem sie jede Woche eine halbe Stunde af deutsch fernsehen müssen und darüber Tagebuch führen) und dann ist es einfach fantastisch in der Klasse zu stehen.

Mein Rat an dich ist nicht zu viel zu erwarten und dich überraschen zu lassen. Ich musste einige meiner Vorstellungen der Realität anpassen, aber letztendlich hat man als Deutschlehrer mit Deutsch als Muttersprache (und einer Lehrerausbildung im Rücken) einen grossen Vorteil.
Sollys
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Beitrag von Sollys »

Vor 10 Jahren war ich mal, wie so oft in dieser Zeit, zum Elternabend eingeladen. Aller Augen starrten erwartungsvoll auf die Tafel, wo die nette Mittfünfzigerin mit dem freundlichen Merkelhaarschnitt einige Sätze an die Tafel gekritzelt hatte.
Ich hatte damals zwei Kinder im schulpflichtigen Deutschunterrichtalter und eins in der Vorschulklasse.

Ich wurde freundlich gebeten den ersten Satz zu korrigieren, falls (ein allumfassendes wissendes ´ich unterrichte diese Sprache seit etlichen Jahren´- Lächeln umspielte ihre Lippen) sich dennoch ein Fehler in diesem einfachen Satz verbergen sollte.

Ich spielte kurz mit dem Gedanken den Satz auszuwischen und neu zu schreiben, korrigierte dann aber nur die fünf schwerwiegensten Fehler........ dabei lächelte ich entschuldigend in die elterliche Runde, die dieses Fach überwiegend sowieso als überflüssig ansah.

Heute sind diese Kids junge Erwachsene und können perfekt, ´neunundsiebzigfünzig´ sagen und sich, je weiter von der Küste entfernt, das etwas schwierigere ´einen schönen Urlaub´ sparen....... :wink:
Leila86
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Beitrag von Leila86 »

runesfar hat geschrieben:Laila - bist du Araber? Brabrand ist eine absolute "problemkiez" - um es nett zu sagen. (Habe mal selber dort gearbeitet).
Ähm, also zum ersten Satz: Nein bin ich nicht.

Und zum Rest: Hast du vielleicht irgendwelche Tipps? Arbeitest du immer noch in Dänemark?

@ Liserl: Danke, du machst mir schon etwas mehr Mut. Ich denke mal auch, dass ich mit der Klasse nicht allein sein werde, sondern immer auch Lehrkräfte mit im Raum sind. Also ich hoffe, dass die Schüler mich überhaupt verstehen werden...kann ja noch kein dänisch. Aber ich denke, es wird eine gute Erfahrung für das anschließende Referendariat sein....ich hoffe es zumindest :?

@Sollys: Na, dass war dann ja die perfekte Deutschlehrerin, was? Wie aus dem Bilderbuch.

Wieso wird deutsch dann in Dänemark überhaupt noch unterrichtet? Wenn es alle für überflüssig und nutzlos halten...
hettibert
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Beitrag von hettibert »

Ich habe das Gefühl, dass in DK allgemein kein Wert auf Fremdsprachen gelegt wird, mit Englisch als Ausnahme. Kann mich aber auch täuschen und das ist nur hier so. Das zieht sich laut Männe aber bis in die Uni...